Offenes Tagebuch

creative writing

 

EUROPE 2050: Many sovereign belts, many roads of freedom

 

Sobald die inneren Spannungen ausgelebt und die Knotenpunkte überwunden sind, wird sich Europa fragen, welche Vorstellung es von der eigenen Zukunft hat. Die anderen Kontinente schlafen nicht, ganz im Gegenteil, mehrere schlafende Riesen sind längst erwacht und wachsen weiter. Die Energie des Wachstums fließt von West nach Ost und mit ihr viele Wachstumstreiber. Das Gefälle ist groß. Vor allem der Lebenshunger vieler Menschen. Mittendrin liegt Europa. Es muss sich abgrenzen, wenn es nicht von Riesen verschluckt werden will. Price follows narrative. Price represents value. Without narrative - no long term value. Zeit das Fundament zu festigen und eine eigene Vision aufzubauen von einem jahrhundertealten Europa, das viele innere Konflikte ausgetragen hat und dessen Vorväter im Schmelztiegel einschneidender Erlebnisse durch schmerzhafte Lernprozesse abstrakte Werte des Wahren, Schönen und Guten hervorgebracht haben. Eine Vision von Europa im 21. Jahrhundert. Many sovereign belts, many roads of freedom. Oder: ein fließend wachsendes Europa als Einheit in sich weitgehend souveräner Länder, ein Europa als souveräner Teil einer Weltgemeinschaft souveräner Nachbarn, im ständigen Anpassungs- und Wachstumsprozess, mit allen kommunizierend, sich doch nicht stark in fremde Angelegenheiten einmischend, wohl wissend, wie schwer Gemeinschaften verschiedener Individuen zu organisieren sind und wie viele Wege zum Ziel führen können („Wer in Freiheit leben will, sollte andere in Freiheit leben lassen“). 

Ein Europa, das in Fragen, in denen die Win²-Win²-Situationen für alle spürbar sind, mit einer starken Stimme spricht, aber in vielen anderen Fragen, in denen einzelne Kulturen seit Jahrhunderten eigene Wege zum gleichen Ziel fanden, anstatt dieser einheitlichen Stimme ein Chor vieler Stimmen einstimmt, dirigiert durch einen grobmaschigen Rechtsrahmen, der es jedem Souverän erlaubt, die jeweils tradierten Wege zum Ziel auch weiterhin zu gehen. Ein Europa, das nicht übergriffig wird und sich nicht zu wichtig nimmt, weil es genau weiß, welch einschneidende Erlebnisse in den kollektiven Seelen der einzelnen Völker noch sehr präsent sind. Ein Europa, in dem jeder Bürger als sein eigener Souverän eine geistige Heimat finden kann ohne die nationale und regionale Identität aufgeben zu müssen. Ein Europa, das sich verspricht, zusammen wachsen zu wollen, aber langsam, behutsam auf sich achtend, ohne Nachdruck, viel eher mit der Möglichkeit vor Augen, dass der Prozess scheitern kann, dass all die Verschiedenheit zu verschieden ist, um langfristig unter einem Dach zu wohnen. In einem solchen Europa will ich leben. Dieser schönen Europa würde ich mein Herz schenken. Und auch meinen Schweiß und mein Blut. Aber wenn sie übergriffig wird, und klammert, mich beschränken und umerziehen will nach ihren Wünschen, in einen Menschen, der ich gar nicht bin, dann liebe Europa, gehen wir morgen getrennte Wege. Denn ich will leben, und scheitern, und zweifeln - und lass mich von dir nicht bevormunden!

Innerhalb des Rechtsrahmens müssten sich Europäer von Ost nach West und von Nord nach Süd die Hände reichen, sich gegenseitig Vertrauen schenken und Verantwortung vor allem für sich selbst tragen. Denn wer Freiheit will, muss die Konsequenzen seines Handelns selbst tragen. Aber, wenn er Erfolg auf anstrengenden Wegen hat, darf er die Früchte seines Handelns auch zu allererst selbst genießen. Ein wenig wird der Erfolgreiche abgeben müssen, denn sein Erfolg beruht auch auf der Infrastruktur, die der grobmaschige Rechtsrahmen gewährleistet. Diese Infrastruktur gewährleisten alle europäischen Individuen gemeinsam. Jedes Individuum ist für die Gewährleistung der Infrastruktur um sich herum verantwortlich. Jedem Individuum als Teil der Gemeinschaft Europas wird diese Infrastruktur anvertraut. Es liegt an den Individuen, was sie daraus machen. Ob wir es schaffen, dass sich unsere Urenkel als Brüder Europas die Hände geben und dabei ihre jeweilige nationale und regionale Tradition nicht verleugnen müssen, sondern sich weiterhin in ihren tief in sich eingebrannten Traditionen verorten dürfen. Nur wir Individuen können uns und ihnen diese Freiheit geben. Doch Freiheit bedeutet wenig Regeln, wenig Vorgaben und viel Gestaltungsspielraum. Der Rechtsrahmen muss grobmaschig bleiben. Sonst beschränkt er Gestaltungsspielraum und Freiheit und drängt Individuen wie Gemeinschaften dazu, ihre jeweilige Verschiedenheit nicht mehr auszuleben, sich nicht mehr als in ihren jahrhundertealten Traditionen, die sie im wahrsten Sinne des Wortes verkörpern, zu verorten, sondern sie abzulegen. Ein zu engmaschiger Rechtsrahmen will umerziehen, er gibt Ziel und nur einen schmalen Weg vor. 

Ein grobmaschiger Rechtsrahmen lässt das Individuum sein, wie es ist, er erkennt es an, in all seiner Verschiedenheit und gemeinschaftlichen Tradition, und weist anerkennend ungefähr den Weg. Auf diesem Weg sollst auch du dein Glück finden können. 

Der Weg führt zu einem geeinten Europa, das pulsiert, das fließend wächst, in dem man verschieden sein darf, in dem man sich abgrenzen darf und in dem jeder jederzeit gehen darf, wenn er seine Rechnung für das Nutzen der gemeinsamen Infrastruktur beglichen hat. Ein geeintes Europa, das verschiedene souveräne Regionen samt ihrer Kulturen in sich wachsen lässt, wobei jede Kultur innerhalb des grobmaschigen Rechtsrahmens die Freiheit erhält, Traditionen zu konservieren, sie innovativ zu interpretieren oder gar eine dynamische Neuausrichtung anzustreben. Jede Region erhält hinreichend freiheitlichen Gestaltungsspielraum, um sich abzugrenzen. Im Zweifel mehr als genug. Der Preis, den wir Europäer für diese Freiheit zahlen müssten, wäre die Übernahme der Verantwortung für das eigene Schicksal und das Schicksal unserer souveränen Gemeinschaft. Diese Verantwortung wiegt manchmal schwer im Rucksack und manchmal fliegt sie von alleine. Sie fliegt meist dann von alleine, wenn die Grundstrukturen in der Gemeinschaft richtig gefasst wurden und den Individuen weiterhin die richtigen Wachstumsimpulse mit auf den Weg gegeben werden. Sie wiegt dagegen schwer, wenn die Grundstrukturen nicht richtig gefasst wurden, wenn Individuen und Gemeinschaften leiden, nicht blühen, etwa weil ihre Kultur im Wege steht, und durch tiefgreifende innovative Interpretation angepasst werden muss. 

In diesem Fall werden andere Individuen oder andere Gemeinschaften erfolgreicher sein, weil sie es geschafft haben, warum auch immer, in sich und ihrer Gemeinschaft die Grundstrukturen auf die Wachstumspfade innovativ anzupassen. Zur Verantwortungsübernahme für sich und seine Gemeinschaft gehört die Anerkennung des Erfolgs anderer Individuen. Erfolg im Sinne von “der hat oder macht etwas, was ich auch gerne hätte oder machen würde”. Die Verantwortungsübernahme für sich und sein Handeln durch Anerkennung der erfolgreichen Individuen ist das Fundament für Freiheitsgewinn innerhalb der eigenen Person und aller Gemeinschaften. Aus dieser Kultur der Anerkennung entsteht Verständnis für Verschiedenheit im Individuum. Zugleich, durch Wahrnehmung des Erfolgsgefälles, wird Energie im Individuum freigesetzt, um die Erfolgssituation zu untersuchen. Wer in einer solchen Situation ist und diese Wachstumsenergie gewinnbringend nutzen möchte, der durchläuft folgendes Individual Audit. 

Das Individuum führt sich zunächst die eigenen kulturellen Grundstrukturen tiefgreifend vor die Sinne. Dann untersucht es die Grundstrukturen der in seinen Augen erfolgreichen Individuen und deckt auf diese Weise Unterschiede auf. Beim Abgleich der Unterschiede, entsteht ganz natürlich die Frage, ob das Individuum davon überzeugt und bereit ist, die eigene Grundstruktur insoweit aufzugeben, und andere Grundstrukturen als eigene anzunehmen sowie diese in die eigene individuelle Grundstruktur einzuflechten. So lernen Individuen nicht nur von anderen Individuen, sondern durch diesen Vorgang können auch Kulturen über einzelne Individuen voneinander lernen und aneinander wachsen. Benötigt werden hierfür freiheitlicher Gestaltungsspielraum, Verständnis für Verschiedenheit und die Wachstumsbereitschaft der Individuen. Je mehr Individuen in der Gemeinschaft jene Lernprozesse als Individual Audit miteinander durchlaufen, desto intensiver wird die eigene Kultur als prägende Grundstruktur der Gemeinschaft überprüft und angepasst. Es entsteht Wachstumsenergie und viele einzelne Beiträge der Individuen potenzieren den Mehrwert für die Grundstruktur, da sie die Ergebnisse der anderen Individuen im Prozess direkt mit einweben und sich sozusagen ein ständiges fließendes Wachstum in der Gemeinschaft entfaltet, das dann zunehmend, ausgehend von der Anpassung der Grundstruktur, auch den Mehrwert erzeugt, den die Individuen anfangs in anderen Individuen als erfolgreich ausgemacht hatten. 

Es ist also nicht nur ein Kopieren der Grundstrukturen von erfolgreichen Individuen und Gemeinschaften, sondern zum Lernprozess gehört das Beobachten, das Überprüfen und das Implementieren. Dabei wird es ebenso vorkommen, dass ein Individuum in sich feststellt, die eigenen kulturellen Grundstrukturen gerade nicht verändern zu wollen, weil es sich damit wohl fühlt, sein Leben in genau diesen kulturellen Grundstrukturen verbringen möchte und der individuelle emotionale Mehrwert überwiegt. Gerade hierfür muss das Individuum hinreichend freien Gestaltungsspielraum erhalten. Aber, und das ist wichtig, dieser Gestaltungsspielraum muss auch allen anderen gewährt werden. Anderen, die ihren Gestaltungsspielraum so zu nutzen wissen, warum auch immer, dass sie um Längen erfolgreicher sind. Der Preis des eigenen Gestaltungsspielraumes ist in Gemeinschaften die Freiheit des Anderen - und das Aushalten der tatsächlichen Ergebnisse. 

In gewissen Situationen führt progressives Wachstum gerade nicht zum Ziel, sondern in den Abgrund. Die Verifikation der europäischen Idee, also die Verhandlung des Weges zwischen konservativer Beibehaltung der kulturellen Grundstrukturen und progressiver Veränderung jener Grundstrukturen, sollten die Individuen als Teil ihrer kulturellen Gemeinschaft jederzeit und immer wieder aufs Neue für sich vornehmen dürfen. Es ist ihr Leben und es soll ihre Entscheidung bleiben. Sie alleine tragen den Lebenshunger als europäischen Wachstumsimpuls in sich. Nichts anderes wird Europa jemals vereinen. Niemals wird Europa gegen den Willen der Individuen zusammenwachsen. 

Das ist meine Idee für Europa 2050. Many sovereign belts, many roads of freedom. Ein souveränes Europa souveräner Mitgliedstaaten, vereint in einem grobmaschigen Rechtsrahmen. Mit einer Stimme sprechend, wenn erforderlich. Aufgebaut auf das Einzelschicksal und in der Verantwortung jedes Individuums, das dem kulturellen Wachstumsprozess aus Verschmelzung und Abgrenzung zwingend ausgesetzt ist, ob es will oder nicht, und ihn in sich aufnimmt, so gut es kann. Jedes Individuum entscheidet durch das eigene Verhalten, das es selbst verantwortet, im basisdemokratischen Gedanken, ob und wie Europa aussehen soll, und sendet dadurch Wachstumsimpulse an die Gemeinschaft. Diese Idee gäbe der Weisheit der Erfahrung vertraute Sicherheit und Heimat, böte aber zugleich jugendlich-revolutionären Kräften individuelle Wachstumspotenziale. Auf geht’s, Europa. Blühe und wachse. Finde deinen Platz an der Sonne - zu Hause. Many sovereign belts, many roads of freedom.

To be concretised …