Offenes Tagebuch

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Die Spieler A-C

 

Prolog

Adam Abraham, Bodo Bengel und Caspar Crux sitzen an einem großen runden Tisch im Plaza und sind die letzten drei Spieler des Poker Grand Tournaments, das dieses Jahr mit über einhundertfünfzig Teilnehmern einen neuen Rekord verzeichnet. Jedes Jahr wieder richtet das erste Haus am Ort, das altehrwürdige Plaza, das Tournament aus, nun bereits seit zehn Jahren.

Das Plaza war Anfang des 20. Jahrhunderts mit den erlesensten Materialien aus aller Welt im Stile venezianischer Renaissance erbaut worden und galt lange Zeit als das exklusivste Hotel der Welt. Vor etwa drei Jahrzehnten aber begann ein folgenschwerer Bedeutungsverlust. Die Reservierungslisten waren früher Jahre im Voraus prall gefüllt. Es war unmöglich ein Zimmer im Plaza zu buchen, Gäste wurden von Gästen vorgeschlagen. Manche Familien buchten für die nächsten fünf Jahre und sicherten sich Optionen für weitere fünf Jahre. Das Plaza war Teil vieler Familiengeschichten. Irgendwann gab es einen Bruch, schleichend, hinter der Fassade. Manche spekulierten, ob er mit dem Generationenwechsel in der Führung zusammenhing. Die Reservierungslisten wurden abgeschafft, die Tradition vernachlässigt. Wohnen durfte nun im Plaza, wer am meisten zahlte. Die Preise stiegen jährlich. Nach einiger Zeit sollte dann, aus einem satten Plus heraus, groß erweitert werden. So gab es jedenfalls der Business Plan der jungen Generation mit dem Titel „Kompromisslos Wachsen!“ vor. Unterm Strich kamen Jahr für Jahr weniger interessante Gäste. Immer mehr, immer mehr. Schritt für Schritt wechselte die Belegschaft. Zugleich nahm auch die Bedeutung des Ortes, der zusammen mit dem Plaza lange Zeit als so anziehend wirkte, ab.

Heute nun das Tournament.

Für Adam Abraham ist es eine Pflichtveranstaltung, er sorgt sich um sein gesellschaftliches Ansehen und ist mit seiner Frau hier. Nicht, dass einer denkt, seine Familie wäre in finanziellen Engpässen. Die Teilnahme ist mit einem Einsatz von 25.000 Euro pro Spieler nicht günstig. Adam will Stärke zeigen. Für Bodo Bengel ist der Einsatz ein Jahresgehalt. Er ist zum ersten Mal hier. Seine Frau, Doris Dame, hat die Teilnahme bei einem großen Preisausschreiben der von ihr abonnierten Fernsehzeitschrift ERIKA gewonnen. Mit viel gutem Zureden und ein wenig Trickserei konnte Doris Dame erwirken, dass ihr Mann für sie antreten darf. Sie sitzt aufgeregt im Publikum, schließlich beträgt das Preisgeld 2.500.000 Euro. Caspar Crux sitzt auf seinem Stammplatz. Er ist nicht aufgeregt. Er will gewinnen. Er ist alleine hier.

Am Ende, als alle Teilnehmer und Zuschauer des Grand Tournaments das Plaza verlassen hatten, lag für einige Zeit eine gewisse Schwere in der Luft der Belletage des mondänen Gasthauses. In diese schwere Luft schrieb der abends in der Bar spielende Pianist mit seinen Klängen ewige Botschaften: Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden (Mt. 25,29).

Die Spieler

Adam Abraham

Adam Abraham ist fünfundfünfzig Jahre alt und versteht die Welt nicht mehr. In den letzten dreißig Jahren ging es in seinem Geschäftsfeld nur aufwärts, aber seit ein paar Monaten ist nichts mehr wie es war. Es geht tatsächlich abwärts. Von jetzt auf gleich. Rapide. Gut, ein paar langfristige Aufträge laufen noch, aber die Maschinen und die Mitarbeiter sind längst nicht ausgelastet. Jeden Monat legt er noch Geld drauf. Nur damit alles so bleibt wie es ist. Die Firma lebt von der Substanz der Familie. Die Maschinen sind angeschafft, die Mitarbeiter bis ins Detail auf die Abläufe geschult. Was soll Adam ändern? Trotzdem sind die betriebswirtschaftlichen Auswertungen eindeutig, die Buchhalter schlagen seit Wochen Alarm. Er hat ihnen verboten, darüber zu reden. Die Mitarbeiter sollen nicht in Unruhe geraten, die wenige Auslastung sei nur eine kleine Konjunkturdelle, das gleiche sich schon wieder aus. Was die Verarbeitung der Produkte anbetrifft, zählt Abraham im internationalen Vergleich zur absoluten Spitzenklasse. Hervorragende Qualität. Seit vier Generationen feilt die Familie an diesem Ruf. Und weiß Gott, sie hat schon andere Zeiten erlebt. Wir stehen das durch, denkt Adam. Ohne auch nur einen menschlichen Verlust. Keiner darf verloren gehen.

Ich stehe für euch ein, ich trage die Verantwortung.

Adam spricht sich im Selbstgespräch Mut zu.

An der Spitze kann es eisig werden, damit muss man umgehen können.

Vor knapp dreißig Jahren hatte Adam den Familienbetrieb nach und nach von seinen Eltern übernommen. Ursprünglich aus einem Schlossereibetrieb entsprungen, sein Urgroßvater war einer der ersten Industrieschlosser in der Gegend, ist die Firma in den Nachkriegsjahrzehnten zu einem international anerkannten und namhaften Automobilzulieferer herangewachsen. In der Stadt heißt es was, bei Abraham Innovative Technologies zu arbeiten. Die Leute erzählen, wer beim Abraham arbeitet, der hat einen Rentenvertrag. Manche Familien sind in der dritten Generation bei Abraham. Haben die Jüngsten hier einen Ausbildungsplatz ergattert, sind die Familien stolz. Gute Kinder. Inzwischen sind es mehr als 2.000 Mitarbeiter. Riesige Lagerhallen reihen sich aneinander, in denen die verschiedenen Produktionsreihen stehen und die Produkte Schritt für Schritt mit höchstem Qualitätsanspruch gefertigt werden. Made in Germany. Hier gibt jeder sein Bestes. Jede kleine Ungenauigkeit wird erkannt, notiert und deren Auslöser ausfindig gemacht. Präzision, bitte. Abraham produziert mit Anspruch. Egal, ob das Material oder eine Maschine optimiert werden kann, ob ein Mitarbeiter geschult werden muss, bei Abraham nimmt man sich Zeit für die letzten Prozente. 

Vor knapp fünfzehn Jahren hatte Adam dann eine neue Organisation der betrieblichen Abläufe eingeführt. Just-in-time entlang der Supply-Chain. Das brachte Einsparungen und die damit einhergehende Renditesteigerung lockte ausländische Investoren an. Adam wandelte das Unternehmen um in eine Aktiengesellschaft. Dadurch wurde zum einen das Haftungsrisiko für das Privatvermögen der Familie verringert und zum anderen konnte man Anteile in guten Zeiten abstoßen und in schlechten Zeiten wieder ankaufen. Jedenfalls der Idee nach. Nachdem Adam einige Unternehmensanteile abgestoßen hatte und sich sein Wohlstand nun auch endlich in den Depots der Direktbanken widerspiegelte, fühlte er sich frei. Er konnte machen, was er wollte. Die Banken kümmerten sich um die Vermehrung des Vermögens. Die Baustelle ist also erledigt, dachte Adam damals. Wie sie das Vermögen vermehren, weiß Adam nicht, er will es auch nicht wissen. Das sei nicht seine Aufgabe, die Berater schlagen Investitionen vor, er unterschreibe, er habe ein Unternehmen zu leiten, eine Familie zu versorgen. Die werden das schon ordentlich machen. Diesen Kapitalabzug aus dem Familienunternehmen sollte er später noch bitter bereuen.

Nach dem Abverkauf hatte Adam sich und seiner kleinen Familie eine Auszeit gegönnt. Drei Jahre lang waren sie durch die Welt gereist. Reisen war Adams Leidenschaft. Er wollte es den Kindern gleich mit auf den Weg geben. Ständig auf der Reise. Das Reisen lernte Adam lieben während seines Auslandsstudiums in den USA und in Japan. Von dorther brachte er auch den Just-in-time-Ansatz mit und hätte ihn gerne schon viel früher in der Firma umgesetzt. Aber die Familie war dagegen. Die Familie hat gesagt, die Qualität des Produktes und dessen Mehrwert für den Kunden stehen im Vordergrund, heute und in der Zukunft. Wir opfern heute, damit wir in Zukunft weiterhin erfolgreich sind. Wir säen heute das, was wir in Zukunft ernten. Dieses Verständnis teilte Adam, jedenfalls grundsätzlich. Doch das war ihm alles zu abstrakt. Dieses metaphorische Vokabular mit opfern, säen und ernten mochte er auch nicht. Er sah einfach keinen Grund, deswegen die neuesten Erkenntnisse der globalen betrieblichen Wissenschaft nicht zu implementieren. Sein Vater sagte mit sarkastischem Unterton: „Betriebliche Wissenschaft? Akademisches Gelaber von Schuljungen, die ihr Leben mit Büchern verbringen. Ich habe das im Bauch, was willst du mir denn erzählen. Ich bin damit aufgewachsen. Ein guter Unternehmer kümmert sich um zwei Dinge, sein Unternehmen und seine Familie. Für beides trägt er Verantwortung. Fertig. Und jetzt: geh lesen.

Adam erinnert sich noch genau an das Gespräch, das er mit seinem Vater an dessen 65. Geburtstag führte.

Adam: „Vater, wir müssen investieren, wir müssen die Produktionskapazitäten erweitern, über die Masse kommt die Rendite. Wir müssen jeden Prozess bis ins Detail aufschlüsseln und alles, was nicht benötigt wird, wegrationalisieren, dann ist mindestens die doppelte, wenn nicht vierfache Rendite drin. Wir müssen effizienter produzieren.

Vater: „Mein Sohn, vorsichtig, nicht so hastig. Dieser Betrieb, das ist ein Lebewesen, da wird nichts wegrationalisiert. Was sind das für Worte. Die Familie deines Urgroßvaters, die Familie deines Großvaters und wir haben unser gesamtes Leben in diesen Betrieb gesteckt, verstehst du das. Das schlüsselt man nicht bis ins Detail auf und führt jedem Mitarbeiter und auch uns selbst die Fehler vor Augen. So funktioniert das nicht. Die oberste Prämisse ist, dass der Betrieb auch in 10, 20 und 50 Jahren den anderen Familien und unserer noch Auskommen und Gemeinschaft, ein zu Hause bietet. Das ist die Prämisse. Dann schaut man, wie kommt unser Produkt bei den Menschen an, schaffe ich Mehrwert. Wenn ja, gut. Dann schaue ich weiter, wie ist die Entwicklung, in welche Richtung fließen die Wünsche der Menschen. Findet sich unser Produkt in diesen zukünftigen Wünschen der Menschen auch noch wieder oder muss ich das Produkt anpassen. Muss ich vielleicht eine grundsätzliche Neuausrichtung einleiten. Aber mit einer grundsätzlichen Neuausrichtung ist man ganz vorsichtig. Davon muss man über einen Zeitraum von mehreren Jahren aus dem Bauch heraus überzeugt sein.

Wir tragen Verantwortung und dazu gehört, dass du die Zukunft im Bauch hast, dass du aufmerksam bist, die Menschen beobachtest, vor allem die Jugend. Ihre zukünftigen Wünsche und Träume musst du erfassen, dein Produkt darin spiegeln. Wenn du dabei ein tiefes, ausgeglichenes Bauchgefühl hast, dann kannst du aus diesem Bauchgefühl heraus die Zukunft gestalten. Uns interessieren Zeiträume von Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten. Ohne das Bauchgefühl, machst du in Anbetracht dieser Zeiträume im Grunde nichts anderes als Lotto spielen. Das mag sich kurzfristig in irgendwelchen Statistiken und Zahlen als gewinnbringend herausstellen, aber wenn du einen Betrieb, egal in welcher Größe, langfristig leben lassen möchtest, benötigst du das Bauchgefühl. Die emotionale Verbundenheit. Doch es reicht nicht, wenn du sie hast, auch deine Mitarbeiter müssen sie haben. Die Wünsche und Träume deiner Kunden schwanken, sie bauen sich auf wie die Wellen im Meer, brechen, fallen ab und, wenn du ein gutes Produkt hast, bauen sie sich wieder auf. Wenn du diese Wellenbewegungen der Kundenwünsche verstanden hast, der deine Produkte zwingend ausgesetzt sind, weil die Kunden andere, neuere Produkte ausprobieren möchten, dann wird dir klar, dass die Krise kommt. Sie kommt immer. Definitiv. Irgendwann. Und in der Krise hast du besser Mitarbeiter, die da sind, die eine emotionale Verbundenheit zum Betrieb haben. Wenn Großvater und Vater bei Abraham waren, wird der Sohn, den wir mit viel Mühe ausgebildet haben, nicht beim ersten Sturm einknicken. Du kannst zu ihm hingehen, sagen, Junge, die Aufträge sind derzeit nicht da, wir müssen alle den Gürtel enger schnallen. Keiner darf verloren gehen. Du guckst ihm in die Augen, drückst seine Hand und forderst seinen Anteil ein. Er wird dir folgen.

Nun zu deinem Anliegen, alle Abläufe bis ins Detail offenzulegen und alles, was nicht benötigt wird, wegzurationalisieren, um die Rendite zu steigern. Was mir daran nicht gefällt, ist die Grundidee. Was heißt Rendite steigern? Was soll der Quatsch. Mehr Geld, Wohlstand, Status, Anerkennung für dich.

Schauen wir genauer hin. Ich weiß, dass du das nicht willst. Aber du trägst die Verantwortung, du musst genauer hinschauen. Wer soll es sonst machen, wenn nicht du? Von dir geht die Initiative aus. Du musst die Vision aufbauen, du musst dich den Fragen ergebnisoffen stellen. Diese grundsätzlichen Fragen musst du bis ins letzte Detail durchdenken und jede kleinste Verästelung einer Konsequenz, die sich aus deiner Grundidee auch nur hypothetisch ergeben kann, durchdenken. Das ist der Grund, warum man Verantwortung trägt und sie nicht von alleine fliegt, sie ist verdammt gewichtig. Du trägst sie für dich, deine Familie und deinen Betrieb mit all den Familien. Die Verantwortungsträger dieser Familien verlassen sich auf dich.

Sie bauen ihre Familien auf dein Wort auf. Auf deinen Handschlag. Sie vertrauen auf dich. Verantwortung tragen, Vertrauen schenken. Damit bist du direkt verbunden mit dem Neugeborenen des Hausmeisters, den du da wegrationalisierst. Dein gesamter Betrieb, deine Gemeinschaft, dein Land hängt daran. Wenn du es vertreten kannst, dann mache es doch. Wer bin ich, dich zu bewerten. Aber wer zieht dann in der Krise noch mit, wer will dann deiner Gemeinschaft, dem Betrieb angehören? Ich nicht! Und bevor ich dir die Verantwortung übergebe, will ich spüren, dass du sie spürst wie ich sie gespürt habe und wie dein Großvater sie gespürt hat, als wir den Betrieb übernahmen. Dieses Verantwortungsgefühl ist der Grund, warum du überhaupt nach Japan fliegen konntest, weil dein Urgroßvater unter verdammt großen Mühen und Selbstzweifeln etwas aufgebaut hat, was langfristig, über den Zeitraum eines Jahrhunderts produktiv ist und gewachsen ist und jetzt kommst du und willst alles anders machen. Dafür brauchst du Gründe. Und die sehe ich nicht. Es fühlt sich einfach nicht gut an. Wir beschäftigen mehr als 2.000 Mitarbeiter, da hängen weiß Gott wie viele Einzelschicksale dran. Du trägst Verantwortung. Verdammt nochmal.

Adam: „Vater, das kann ich alles nachvollziehen und spüre auch die Verantwortung, aber kein Grund so emotional zu reagieren, wir benötigen eine glasklare strategische Ausrichtung. Die Chinesen produzieren in einer Masse, das kannst du dir nicht vorstellen, natürlich sind die effizienter. Da kostet Arbeitskraft nichts. Die Amerikaner sind innovativer, die Japaner haben flächendeckend Just-in-time in der Supply-Chain. Unsere Produkte stehen im globalen Wettbewerb. Wir müssen was verändern, wir müssen uns anpassen, sonst gehen wir hier alle baden. Das kann doch auch keiner wollen. In Japan arbeiten die Menschen durchschnittlich ein Drittel mehr als in Deutschland. Das sind harte Fakten, dagegen kann man sich nicht verschließen. Die Frage ist, was wir machen. Wir können nicht einfach den Kurs weiterfahren und schauen, wie wir mit einem Mal aus dem Markt genommen werden. Die kommen und sie sind gut.“

Vater: „Mein Sohn, natürlich sind sie gut. Die Frage ist, ob sie besser sind als wir. Und das wage ich zu bezweifeln. Jede Kultur hat ihre Vorteile und auch ihre vermeintlich schwierigen Punkte. Diese solltest du dir bewusst machen, deswegen habe ich dich in die USA und nach Japan geschickt. Du sollst die Kulturen wahrnehmen, eine Zeit lang darin aufgehen, in ihnen fließen und dann Vergleiche anstellen. Jetzt kommst du mir mit wegrationalisieren. Das geht an die Basis unserer gesamten Grundidee. Wir bauen auf Vertrauen und Verantwortung. Als ich klein war, war ich beim Vater in der Werkstatt, da kam einer unserer Bastler, der Moser Andi, damals noch der Senior, zum Vater und sagte, gestatten, Herr Abraham, ich hab da ein bisschen rumprobiert mit den Werkstoffen und da hatte ich auf einmal das hier in der Hand. Da war der Ursprung von Seronium, der Werkstoff, der uns heute abgrenzt von allen anderen, unser Herzstück. Verstehst du. Der Moser Andi hat es gefunden. Wir haben es nur veredelt. Der durfte damals basteln so viel er wollte. Hätte der Großvater den Moser Andi wegrationalisiert, würdest du heute als Unternehmensberater oder was weiß ich was durch die Welt fliegen. Nichts mit Familienunternehmer. Den Moser Andi hätte es bei dir wahrscheinlich gar nicht mehr gegeben, geschweige denn hätte er mit den Werkstoffen rumbasteln dürfen. Und auch der Egon, von dem jeder weiß, dass er die Hälfte der Zeit nichts schafft, aber dafür im ganzen Werk rumläuft und mit seinen Späßen alle aufheitert. Auch der hat seinen Platz verdient. Solange du nicht verstehst wie die Gemeinschaft da unten funktioniert, wird hier gar nichts verändert und erst Recht nichts übergeben. Schluss. Aus. Ende.

Bodo Bengel

Bodo: „Bauamt Wilhelmshagen Nord, Bodo Bengel mein Name, was kann ich für Sie tun?“

Seit das Sekretariat nicht mehr da ist, muss Bodo ans Telefon. Das gefällt ihm gar nicht. Er weiß nicht, wer dran ist, er weiß nicht, wer was will. Vor allem die englischsprachigen Anrufer will er nicht, das weiß er. Aber nach langer Verweigerung hat er sich der Anweisung gefügt und den Telefondienst übernommen. Er macht es ja, was soll er auch machen. Einer muss ans Telefon. Sonst macht ja hier eh keiner was, denkt er sich laut.

Bodo: „Alle fahren ständig in Urlaub, nur ich muss buckeln, Saftladen. Ups, nicht zu laut, Chefin hört mit.“

Vor gut einem Jahr wurden im Rahmen der Regierungsinitiative „Schlanker Staat“ flächendeckend ganze Stellenbereiche in den Behörden gestrichen. So auch die Sekretariate. Begründet wurde es damals mit dem Umstand, dass sich die Kommunikation grundlegend vereinfacht habe. Die Aufgaben des Sekretariats wurden anderen Stellen zugewiesen. So auch die Annahme eingehender Anrufe, die Bodo seitdem für seinen Fachbereich übernimmt. Zugleich wurde damals die IT-Infrastruktur beim Bauamt Nord umgerüstet, nun konnte jeder Mitarbeiter sehen, welche Nummer gerade anruft. Bodo kennt sie eigentlich alle, seine Pappenheimer, aber manchmal ruft doch eine unbekannte Nummer an. Das mag er nicht. Wenn es klingelt, schaut Bodo auf seinen Monitor und wenn er die anrufende Nummer kennt, säuselte er in seinen oberhalb der Lippenpartie vom jahrzehntelangen Rauchgenuss dunkelgelb eingefärbten Schnauzbart: „was will der denn schon wieder?“

Bodo sieht sich als Sprachrohr, er spricht aus, was alle denken. Danach hebt er in aller Ruhe den Hörer ab und sagt seinen Spruch auf. In durchaus erkennbar genervtem Ton. Die Bürger sollen ruhig wissen, dass er nicht die Tippse vom Dienst ist. So nicht, vor allem nicht mit Bodo.

Bodo: „Bauamt Wilhelmshagen Nord, Bodo Bengel mein Name, was kann ich für sie tun“?

Den Spruch hat ihm seine Chefin in den Mund gelegt. Sie hat ihn wiederum in einem Leitfaden zu Kundenfreundlichkeit gelesen. Jetzt muss Bodo ihn aufsagen. Am Anfang hat er die Anrufe mit „ja, wer stört?“ angenommen, das fand die Chefin unpassend. Man habe den Bürgern gegenüber einen hohen Serviceanspruch. Auch als quasimonopolartiges Bauamt. Auch wenn allen draußen klar sei, dass Bodo keinen Bock auf seine Arbeit hat. Rumps, das hat gesessen. Naja, Unrecht hat sie nicht, denkt sich Bodo grinsend.

Manchmal verspricht er sich auch und sagte „Wilhelm & Bengel mein Name, Bauamt am Apparat.“ Egal, es wissen eh alle Bescheid. Bodo ist unter den Bürgern bekannt wie ein Königspudel. Immer, wenn er sich mal wieder eine verbale Entgleisung wie jener Vergleich zum Saftladen leistet, rollt er mit seinem ergonomisch gepolsterten Bürostuhl, über dessen Lehne seit zehn Jahren unverändert eine ausgeleierte blau-grau gemusterte Strickjacke für kältere Tage hängt, von der linken Ecke seines Schreibtisches - hier stehen Monitor, Stempel, Schreibutensilien - auf die fast leere rechte Seite des Schreibtisches - hier steht lediglich ein kleines Sparschwein, in das eine Münze geworfen werden muss, wenn mal wieder unnötig ausgedruckt wurde. Das ist Bodos ganz eigener Beitrag zum Schutz der Bäume. Er will etwas tun und bekennt sich deswegen auch „aktiv als aktiver Umweltaktivist“.

Auf der rechten Seite des Schreibtisches angekommen, startet Bodo dann seine ihn so sympathisch machenden Monologe in Richtung der großen Fensterfront seines Büros. Er teilt das Zimmer mit zwei Kolleginnen, die seine Monologe eher als Umgebungsgeräusche wahrnehmen, aber solange sich keiner wehrt, übt Bodo sich weiter in episch-monologischer Vortragstechnik. Er trägt dann zur gesamten Weltgeschichte vor. Es sind mehr oder weniger umfassende Vorlesungen. Behandelt werden sämtliche Ereignisse derzeitiger Weltpolitik, von den großen globalen Problemen bis hin zum lokalen Streik des öffentlichen Nahverkehrs. Ob Aktionen globaler Naturschutzinitiativen, die Inseln aus Plastik in den Weltmeeren anprangern, der Vergleich zur neuesten Schallplatte „Palmen aus Plastik“, ob Hintergrundgeschichten voller Intrigen in den europäischen Königshäusern oder einfach tiefgreifende menschliche Tragödien. Bodo Bengel hat alles erlebt und weiß vor allem zu jedem Thema zu parlieren.

Manchmal denkt einer, er hätte noch hintergründigere Informationen als Bodo. Der wird dann schnell eines Besseren belehrt. Nicht mit Bodo. Denn Bodo Bengel liest Mild. Und Mild schreibt Geschichte. Hinter seinem Schreibtisch ist Bodo Bengel einer der großen Universalgelehrten seiner Zeit. Ein klassischer Menschenfischer. Wäre er bei Instagram oder Twitter, wäre er ein Influencer. Aber diese modernen Sachen lehnt Bodo ab, er hält sie für „irre, also irreal, deswegen mache ich da auch nicht mit.

Im Bauamt kursieren viele Anekdoten über Bodo. Sie werden regelmäßig zur Belustigung wiederholt. Alle Kollegen sind sich einig, wäre Bodo nicht mehr da, würde etwas fehlen. Meist geht es um Bodos spaßige Monologe, die er kurz nach der Mittagspause hält.

- Anekdote 1 -

Nicht selten wird Bodo von seiner Chefin ausdrücklich gelobt.

Bodo: „Ja, ja, ich weiß, ich bin ein Engel. Nicht ganz, aber im Prinzip. Meine Initialen sind Doppel-B, Bodo Bengel. Meine Frau hat DD. Doris Dame. Bei uns am Klingelschild steht Dame & Bengel. Was soll ich machen, meine Frau wollte meinen Namen nicht annehmen, sie meinte, Bengel hört sich nicht schön an. Ich hab gedacht, was heißt hier schön? Bengel! Der Name hat Tradition und wurde einst hart erkämpft. Schon meine Vorfahren hießen Bengel und das nicht ohne Grund. Und alle männlichen Abkömmlinge meines Ururgroßvaters hatten die Initialen BB. Der hat damit angefangen. Er nannte seine vier Bengel Boris, Bernd, Bruno und Bodo. Zu deren Geschichten muss wohl nicht viel gesagt werden, alle nennen sie die Erzbengel.

Bodo lachte. Seine Kolleginnen auch. 

- Anekdote 2 -

Bodo: „Eben stand in der Mild wieder was über posttraumatische Belastungsstörungen, wenn unsere Soldaten aus den Kriegseinsätzen kommen. Wenn sich das bei mir wegen meiner Frau nachweisen ließe, könnte ich in Frührente gehen. Aber deswegen heißt es ja auch - post -  noch bin ich verheiratet und voll drin im Trauma. Nein nein, nur Spaß.

Bodo lachte. Seine Kolleginnen schmunzelten.

- Anekdote 3 -

Bodo: „Heute Sonderbeilage in der Mild zum Thema Beerdigungen. Die Gestorbenen werden in der Kirche ja immer noch vorne aufgebahrt. Ich nehme eine Nadel mit und gucke, ob sie auch tot sind. Wenn sie noch „Aua“ machen, nehme ich sie wieder raus aus der Kiste und wir gehen in die Kneipe.

Bodo lachte. Seine Kolleginnen auch.

- Anekdote 4 -

Bodo: „Schon wieder eine Bank pleite. Intransparency Bank. Kenne ich nicht. Wahrscheinlich wieder so ein Briefkasten-Ding. Alles, was ich bei der Sache verstehe ist, irgendwas wird dahin überwiesen und am Ende sind die reich und ich bleib arm.

Bodo schüttelte den Kopf, zuckte mit den Schultern und lachte.

- Anekdote 5 -

Ab und an ertönt in Bodo´s Büro ein ungewöhnliches Geräusch. Es ist ein mit einem Hall-Effekt hinterlegter Kuckucksruf, den Bodo mit einem Gutschein seines Mobilfunkanbieters aus dem Internet heruntergeladen hat. So tönt es regelmäßig „Kuckuck Kuckuck“. Bodo reagiert dann blitzschnell, wie im Bann. Irgendwo brennt wieder die Luft und Bodo sieht sich schon im Feuerwehrauto sitzen. Löschen. Verantwortung übernehmen.

Häufig war es Werbung, die er dann lauthals verkündet. So auch damals. Bodo: „Ach ja, die Playboy-Versicherung bietet mir noch höheren Versicherungsschutz an. Brauch ich nicht, bin ich schon.“ Bodo schaute lachend über die obere Kante seiner weit vorne auf der Nase sitzenden Nickelbrille.

Bodo: „Ich hab ja die Krankenversicherung bei der Metzger Versicherungs AG, die haben einfach die besten Leistungen. Die sind damals auch ausgezeichnet worden im Internet. Beste Qualität. Die sind top. Einmal abgeschlossen, nie wieder was gehört. Die buchen immer ab, wahrscheinlich auch, wenn man schon tot ist. Die Unfallversicherung hab ich bei der Sargnagel Versicherungs AG, die waren bei finanzcheck237 damals günstiger als die Blutsauger AG, ein Glück bin ich auf die nicht reingefallen, da ist der Name wohl Programm. Ich hab dann bei Sargnagel zugeschlagen. Also alles soweit pikobello hochoptimiert.“ Bodo nickte, schaute kurz zur Decke und erwartete ein erwiderndes Nicken als Bestätigung, bevor er weiter ausholte.

Bodo: „Dann hab ich eine Zusatzversicherung abgeschlossen, damals als ich mir meine Haare hab transplantieren lassen. Die waren teuer, die Dinger, mein lieber Herr Gesangsverein.“ Bodo nahm seine Hände und raufte sich sein Kopfhaar, das mittlerweile wie ein Kranz rund um eine große kahle Stelle in der Mitte gewachsen war. Wenn sein Kollege ihn ärgern wollte, sagte er, Bodo habe eine Glatze mit einem Vorgarten aus Arschhaaren.

Bodo: „Die hab ich über die Sparkasse finanziert und gleichzeitig eine Versicherung drauf gelegt, falls ich so was nochmal machen lassen möchte. Ich lass mich doch nicht für dumm verkaufen. Nicht mit mir. Die Haare hab ich damals kurz hinter der Grenze transplantieren lassen. Das war ein paar Euro günstiger. Man muss halt nur wieder hin, wenn es Probleme gibt, aber bei mir läuft es eigentlich weitgehend rund auf dem Kopf.

Bodo: „Auf die Krankenkasse kannst du heute nichts mehr geben, mein Antrag wurde einfach abgelehnt. Neue Haare seien nicht vom Leistungsumfang gedeckt. Bla bla bla, was ist denn überhaupt vom Leistungsumfang gedeckt? Vorsorge und akut lebensrettende Maßnahmen. Alles auch nur einen Millimeter Abweichende muss man selbst stemmen. Es ging doch nicht um eine Schönheitsoperation. Ich hatte keine Haare! Ich war im Grunde nicht überlebensfähig. Das war damals eine Spezialklinik nur für männliche Haare. Überall lagen Männer auf dem Bauch und ließen sich die Haaren am Hintern zupfen. Als ich das sah, taten mir irgendwie meine Zähne weh. Oh Gott, dachte ich, jetzt bist du endgültig pleite. Ich hab die Dritten jetzt schon seit gut fünf Jahren und hatte nie wieder Probleme mit heiß-kalt empfindlichen Stellen im Mund. Anders meine Frau, die verbrennt sich regelmäßig den Gaumen am heißen Kaffee, weil sie nicht abwarten kann. Einmal sagte sie, autsch, jetzt hab ich mir auch noch den Mund verbrannt, jetzt kann ich gar nicht mehr weiter erzählen. Ich hab ihr gesagt, dann trink öfter heißen Kaffee. Das fand sie gar nicht lustig. Nein nein, nur Spaß.“

Bodo ist ein Strolch, er meint solche Kommentare lustig. Gut, man kann das auch falsch verstehen, aber diesen Elfmeter musste er verwandeln. Lieber eine grantige Frau im Haus als auf einen guten Witz verzichtet, denkt Bodo. Eigentlich geht der Witz anders, aber Bodo ist jederzeit in der Lage, die Witze umzuwandeln und punktgenau auf die entsprechende Situation anzupassen. Im Herzen ist Bodo weiterhin ein Knipser. So wie damals vor seinem Kreuzbandriss, als er in der dritten Kreisliga Süd schon zur Halbserie uneinholbar die Torjägerkanone nach Hause holte. Die Zeitungsartikel hat er alle noch zu Hause.

Bodo dazu: „Ja ja, alle gut im Keller verstaut. Ein Glück ist der Rummel vorbei. Sollen sie alle nach Ruhm und Öffentlichkeit streben, Profifußballer, für mich war das nichts damals. Ich bin glücklich hier im Büro.

- Anekdote 6 -

Bodo: „Gestern hab ich wieder gebügelt. Zehn Hemden, zehn Blusen, Hosen, Röcke, T-Shirts, ich bügele alles weg. Alles auf Falte, wunderbar. Wie bei der Bundeswehr. Und nebenbei schaue ich Formel 1. Ich fahre mit dem Bügeleisen die Kurven mit. Niiaaauuu. Danach hab ich gekocht. Leber, lecker. Meine Frau war mit ihren Freundinnen im Spa zum ausgiebigen Sektfrühstück ohne Männer. Dadurch blieb natürlich wieder alles an mir hängen. Erst putzen, dann bügeln, dann kochen. Samstag war ich einkaufen, da musste sie noch was für die Arbeit vorbereiten. Als sie aus dem Spa kam, hab ich gesagt, so, jetzt gibt’s hier aber eine Massage, ich steh seit zwei Stunden am Bügelbrett. Aber da ist Hopfen und Malz verloren. Nichts gabs. Stell dich nicht so an, war das einzige, was sie von sich gab. Dein Rücken ist eh schon morsch, da hilft auch die Massage nichts. Sonst geh halt zur Thai Massage. Meinetwegen auch mit Happy End, dann haben wir das für dieses Quartal auch gleich erledigt. Selbst meine leckere Leber mochte sie nicht. Versteh einer die Frauen. Ich verstehe sie ja. Die ist halt auch im Stress. Jeden Tag morgens früh raus, eine Stunde im Stau zur Arbeit. Aber sie will ja mit dem Auto fahren. Ich fahre Bahn. Wir haben zwei Autos, aber ich fahre trotzdem Bahn. Ich mag keinen Stau.

Früher mit der Tochter war es noch schlimmer. All der Stress. Morgens in die Kita, nach der Arbeit wieder holen. Dann hat die Kleine meist gebrüllt wie am Spies, und geweint und geweint, ein richtiges Schrei-Kind. Ich lieb sie ja, aber geschrieben hat sie, das werde ich nie vergessen. Und dann wollte sie nichts essen und nicht baden. Ach Gott, all das Theater. Also die hat uns das Leben wirklich schwer gemacht. Unser Goldstück. Aber es ging ja nicht anders, meine Frau hat sie gebracht und ich hab sie geholt. Ging ja nicht anders. Musste ja Kohle reinkommen. Meine Frau arbeitet zwar viel, aber so viel verdient hat sie nun auch nicht, dass ich halbtags machen konnte. Sonst hätte man nur noch ein Auto gehabt oder es wäre halt knapp geworden, das will ja auch keiner. Also haben wir gesagt, wir ziehen beide unsere Stiefel durch. Deswegen war dann auch nach der Tochter Schluss. Da waren wir am Anschlag, da ging nichts mehr. Ich hab abends noch kurz was in den Ofen geworfen und versucht beim Spielen nicht allzu genervt zu sein. Die Kleine hatte ja tagsüber auch schon genug gegessen und gespielt, die hat meist nur noch gequengelt.

Beim Kita-Platz hatten wir Glück, meine Frau kannte da jemanden. Deswegen hatten wir gleich einen Platz. Betreuungsverhältnis top, 20 zu 1. Wo findest du das heute noch. So war das damals, ja, lange ist es her. Ist ja heute auch nicht anders. Jetzt bringt unsere Kleine ihre Kleine in die Kita. Wahnsinn. Die war sogar noch schneller als meine Frau damals. Nach drei Monaten war die Kleine in der Kita. Steht ja überall mittlerweile, neueste Untersuchungen der Pädagogen sagen, je früher in der Kita, desto besser. Am besten aus dem Krankenhaus raus, gleich rein in die Kita und ab zur Arbeit. Meine Tochter hat das fast wörtlich genommen. Die will auch nur ein Kind. Der Vater ist nicht mehr da. Ich hab den kennengerlernt, nee nee, das war besser für beide, oder sogar für alle drei. Da fragt man sich manchmal, wo das alles noch hinführen soll. Der ist Altenpfleger. Da hab ich damals laut vor meiner Tochter gedacht, von dem will ich mich nicht pflegen lassen. Meine Tochter sagte dann nur, ja, aber ich pfleg dich auch nicht.“

- Anekdote 7 -

Manchmal stempelt Bodo. Aber er stempelt nicht einfach. Bodo zelebriert das Stempeln. Einmal pro Woche hält er allen zu diesem Zeitpunkt zufällig Anwesenden einen Vortrag, wie er seine Stempel und sein Stempelkissen sortiert. Die Sortierung folgt der Häufigkeit der Anwendung. Der am häufigsten verwendete Stempel ist vorne. Den hinteren Stempel braucht er nur einmal im Jahr. Sollte er ihn doch zwischendurch einmal brauchen, ist der Stempelhalter drehbar, dann kann er den Halter drehen und schon ist der Stempel vorne. Das ist Effizienz. Deutsche Wertarbeit. Und zwar in der Form der Ablauforganisation im Büroalltag. Auf die feine Unterscheidung legt Bodo Wert.

 

Dann ist es soweit. Bodo muss wieder stempeln. Also Obacht. Im ersten Schritt geschwind das Stempelkissen aufgedeckt, währenddessen im Kopf bereits den richtigen Platz des zu verwendenden Stempels anvisiert und Zugriff. Klack. Der Stempel befindet sich bereits im optimalen Winkel in der Hand. Dann wird das zu stempelnde Dokument final in Reihe und Glied versetzt, der Stempel in einem zweiten Schritt auf dem Kissen mit Farbe versorgt und

batz!

Der Stempel sitzt. Das Setzen des Stempels, das ist bei Bodo ein Prozess der Wertschöpfung. Es ist unmöglich, diesen Prozess nicht als Jahrzehnte lang tradierte Form der deutschen Stempelkunst zu bezeichnen. Bodos Stempelkunst ist Weltkulturerbe, wird aber nach seiner Aussage von den „Möchtegern-Experten“ der UNESCO strikt ignoriert. Wahrscheinlich sind seine Ideen zu revolutionär. Bodo bleibt unermüdlich. Irgendwann kriege ich sie, denkt Bodo, diese verdammten Ignoranten. Es macht einen lauten dumpfen Ton, so dass jeder im Büro und im gesamten Treppenhaus weiß, Bodo stempelt wieder.

Batz. Batz. Batz.

Er hebt den Stempel und setzt ihn das eine Mal etwas weiter rechts, dann mal wieder weiter links, gerade wie er es will. Die Freiheit nimmt er sich. Nach eigener Aussage schrägt er den Stempel manchmal in dem Winkel an, der sich aus der Quersumme seines Geburtstages geteilt durch zehn ergibt. Kopfrechnen ist für Bodo kein Problem und für alles weitere hat er seine Geheimwaffen. Um nur eine zu nennen: seine Canon MP1211. 

Es gibt im Grunde zwei Bodos an seinem Arbeitsplatz, einen an der linken Schreibtischkante, den arbeitenden Bodo, und einen an der rechten Schreibtischkante, den geselligen, plaudernden Bodo.

Der arbeitende Bodo kommentiert jeden seiner Arbeitsschritte gerne laut und unterhält die Umgebung mit erheiternden Aussprüchen wie „kann nicht sein“, „hah, falsch“, „Fehler gefunden“. Wichtigstes Arbeitsmittel ist seine Rechenmaschine. Canon MP1211. Diese Maschine ist eine Kampfansage. Sie ist kein normaler Tischrechner. Sie ist ein technologisches Meisterwerk, ein absolutes Arbeitsschwein. Fast so alt wie Bodo. Natürlich mit Stromanschluss und Kassenrolle. Jeder Rechenschritt wird manuell aufgezeichnet, wo gibt es das heute noch. Bodo hat noch eine, vielleicht die letzte dieser Art. Mythologische Helden haben Schwerter und Schilde. Bodo hat seine Canon. Die nimmt ihm keiner. Sie verteidigt er bis aufs Blut. Seine Finger gleiten über die hoch hervorstehenden Tasten, schlagen in dem atemberaubenden Tempo an, in dem auch seine prüfenden Gedanken mit dreißigjähriger Erfahrung vor seinem inneren Auge ablaufen.

Bodo und seine Canon, das ist eine Liebesgeschichte, ein komplexer großer Energiestrom, von der tiefsten Gehirnzelle bis in das Motorenwerk der Canon. Sie lässt sich nicht von jedem bedienen. Sie ist eine Zicke. Aber Bodo hat einen Zugang gefunden.

Bodo: „Ich habe magische Hände. Man benötige Fingerspitzengefühl, sonst spurt sie nicht.“ Wer diese energetische Einheit beobachten darf, der ist sofort fasziniert.

- Anekdote 8 -

In Bodos Büro stehen viele Regale voller teils ordentlich einsortierter und teils unordentlich in der Gegend herumliegender Akten. Wegen der ganzen Unordnung sind alle betriebsblind geworden. Was soll man mit all dem Papier machen. Der eine legt sie hier hin, der nächste stapelt sie dort. Jeder macht, was er will. Bodo kann sich auch nicht um alles kümmern. Also wachsen die Berge jedes Jahr, bis irgendwann die Chefin kommt, eine Aktenaussortierung ansetzt und Bodo sich gemeinsam mit seinen Kolleginnen im Blaumann an die beauftragte Aktensortierung macht. „Das ist ja wie beim Kinderzimmer aufräumen nach dem Lego spielen“, schimpft Bodo. Dann ist wieder alles aufgeräumt.

Am nächsten Tag legt Bodo die erste Akte wieder an irgendeinen Platz.

Bodo schaut dabei dann seine Kolleginnen an und lacht. Er hat eine ganz besondere Art zu lachen. Seine Lache scheint rau, ist aber harmlos. Wie ein Rauhaardackel. Seine Lache beginnt mit einem kurzen, abgehackten, aber tiefen Schluchzen begleitet von einem Schnaufen, das im Zusammenspiel mit dem Zurücklehnen des Oberkörpers in den nach hinten flexiblen Drehstuhl, langsam ausläuft. Nur die Augen, die sind währenddessen auf seine Kolleginnen fixiert.

Bodo will sie zum Lachen bringen. Sie lachen auch manchmal. Sie lachen am ehesten dann, wenn Bodos verbale Grenzgänge ihn in die unterste Schublade, einen Hauch vor dem noch Erträglichen führen. Bodo ist ein Meister der Flachwitze. Ein Meister des Wortwitzes. Hier macht ihm keiner was vor. Es passt kein Haar zwischen seine Worte und dem vor Fremdscham nicht mehr Erträglichen. Nur Bodo darf solche Wortwitze erzählen, kein anderer. Bei allen anderen liegt die Toleranzschwelle viel höher. Bodo hat sich einen Spielraum erarbeitet, in dem sich keiner außer ihm bewegen darf. Und das kostet er aus. Jeden Tag wieder. Während Messi im Barcelona-Trikot im Camp Nou einnetzt, hat sich Bodo sein ganz eigenes Spielfeld kreiert. 

- Anekdote 9 -

Bodo atmet in der Regel normal bis leise. Alle dreißig Minuten aber, hiernach kann man die Uhr stellen, ereignet sich in seinem Körper ein unfassbares Naturschauspiel.

Voller Kraft kontrahieren sämtliche Zwerchfellmuskeln und saugen Umgebungsluft an. Wenn die Luftzufuhr über die nasalen Atemwege dabei nicht ausreicht, was meist der Fall ist, schmeißt Bodo den großen Staubsauger an und öffnet seinen Mund. Schnapp. In der Regel klingt das Schauspiel ab mit einem ausgiebigen Gähnen gefolgt von einem lautem „so, jetzt aber“. Bodo hat ein gewaltiges Arbeitspensum und das muss regelmäßig nach außen kundgetan werden. Damit alle wissen, dass Bodo sehr intensiv bei der Sache ist und gerade stempelt oder Ablage macht oder komplexe Rechenschritte mit seiner Canon überprüft.

Dieses Naturschauspiel ist Bodos Art Dampf abzulassen. Er will alle paar Minuten einmal das Ventil aufdrehen, damit der ganze Druck raus kann. Danach ist er wieder voll da und einsatzbereit. Es ist seine Art der Wiederauferstehung. Für Bodo kann jeder Mensch wiederauferstehen. Man muss es nur wollen und diszipliniert durchziehen. Bodo ist da knallhart. Alle dreißig Minuten: Muskelspannung, Luftanzug … und Schnapp. Gähnen. „So, jetzt aber.

Er fügt sich seiner Wiederauferstehung mittlerweile bereitwillig. So kann er mehrfach pro Stunde mit seinem dann wiederauferstandenen Geist in dieser Welt ganz von vorne anzufangen. Und zwar ohne die Sünden der untergegangenen Persönlichkeit. Das ist für ihn ein bewährtes Mittel. Andere fühlen sich schuldig und schlecht. Bodo nicht. Alle dreißig Minuten fängt er neu an. In den dreißig Minuten gibt er alles und schaut wie weit er kommt mit seiner jeweiligen persönlichen Lebensleistung.

Durchschnittlich schläft ein Mensch knapp ein Drittel seiner Lebenszeit. Bodo: „Wenn ich alle dreißig Minuten neu auferstehe, dann lebe ich im Grunde immer wieder dreißig Minuten. Und wenn alle Menschen ein Drittel ihrer Lebenszeit schlafen, dann darf ich das wohl auch.“ Deswegen das Gähnen. Nach dem „so, jetzt aber“ also erstmal zehn Minuten innerlich locker machen und versuchen in den Tiefschlaf zu kommen. Meist klappt das ganz gut, nach wenigen Sekunden flackern die Bilder über die offenen Augen wie im REM-Schlaf. Bodo hat diesen Rhythmus inzwischen perfektioniert. Im Durchlaufen der strikten Routine macht ihm keiner was vor. Alle dreißig Minuten wird ein neuer Bodo geboren. Direkt vor unseren Augen.

Jedes Mal wieder schaut er auf den kleinen leuchtenden Stern, der am rechten oberen Rand seines Bildschirmes klebt. Ein Werbegeschenk aus der Zeitung ERIKA, die seine Frau abonniert hat. Seine Frau wollte ihn nicht, ihr war er zu kitschig. Bodo dazu: „Kitschig? Du spinnst wohl, wenn Jesus einen Holzbecher aus der Kiste holt, schreien alle juche und wollen mit ihm beim letzten Abendmahl einen trinken, aber wenn ich mir den Stern an den Bildschirm klebe, als Zeichen konstanter Wiedergeburt, da kommt keiner und pilgert mal zu mir, um den neugeborenen Bodo zu begrüßen. Da bricht keiner sein Brot, da kommen keine Könige und bringen Geschenke. Jedes Mal wieder liege ich hier alleine in der Krippe.

Caspar Crux

Caspar: “Caspar Crux, Investmentbanker, 237.”

Caspar folgt hörig den Anweisungen der künstlichen, aber nicht minder verführerisch klingenden Frauenstimme, die seine Frankfurter Privatbank zur telefonischen Kundenautorisierung eingeführt hat. Beim Codewort hatte er überlegt, schließlich muss er es in Ausnahmezuständen erinnern. Dann gab ihm Marilyn, seine der jungen Brigitte Bardot wie aus dem Gesicht geschnittene, bildschöne französische Kundenbetreuerin einige Anregungen.

Marilyn: „Vielleicht nehmen sie etwas Beschreibendes, Etwas, das sie ausmacht. Wenn sie ein Wort nennen müssten, das ihr ganzen Leben beschreibt, das in ihnen ein emotionales Feuerwerk auslöst, bei dem ihre Frau sofort wüsste, dass sie für dieses Wort bis zum letzten Atemzug einstehen.“

Caspar war verunsichert. Er dachte: emotionales Feuerwerk, bis zum letzten Atemzug? Ihn interessierten vor allem Marilyns wunderschöne Augen. Sie schauten ihn an, als wollten sie irgendetwas Bestimmtes hören. Aber Caspar wusste nicht, was es war. Ihm fiel nichts ein. Er fand diese Augen so unfassbar anziehend. Marilyn ist hinreißend. Vielleicht sollte er „Ihre Augen“ sagen. Mhh, besser nicht. Nach einem Augenblick erwachte Caspar aus seinen gefühlt minutenlangen Träumen und merkte, dass Marilyn weiterhin auf seine Ideen zu dem Codewort wartete. Also sprach er laut aus, was er dachte.Caspar schmunzelnd: „Da fallen mir eigentlich nur zwei Dinge ein, Mama und Investmentbanker. Mama mag ich und Investmentbanker war ich. Jetzt würde ich mich eher als Privatier bezeichnen.“ Caspar lachte. Marilyn nicht.

Marilyn: „Ok, dann nehmen wir Investmentbanker. Ihr Zahlencode ist 237. Name, Codewort, Zahlencode - bei jeder telefonischen Anmeldung. Verstanden?

Caspar nickte.

Marilyn: „Sehr gut, dann wünsche ich ihnen noch einen wundervollen Tag mit ihrer Frau, sie werden ja sicherlich noch das hervorragende Wetter genießen. Gönnen sie sich mal was, soll ich ihnen einen Tisch im séduction bestellen?“

Caspar war etwas überrumpelt. Eigentlich wollte er heute mit seinem besten Freund essen gehen, mal wieder unter Männern. Aber diese Augen…

Caspar: „Ja gerne, bestellen sie einen Tisch, ich merke gerade, ich habe doch Hunger auf französisches Essen. Und séduction, sehr gut, das ist das Lieblingslokal meiner Frau. Ich rufe sie nur kurz an und frage nach, sie mag keine Überraschungen, wissen sie.“

Was Caspar nicht wusste, seine Frau hatte Marilyn vor dem Termin angerufen und darum gebeten, ihren Mann auf diese Idee zu bringen. Marilyn tat so, als ob sie parallel im séduction anrufen würde. Der Tisch war längst bestellt. Als Caspar seine Frau erreichte und ihr von seiner spontanen Idee des gemeinsamen Mittagessens im séduction erzählte, tat sie entzückt und sagte sofort zu. Caspars Selbstbewusstsein stieg an. Er hatte seiner Frau mal wieder die Wünsche von den Lippen abgelesen.

Caspar: „Bestellen sie doch bitte den Tisch im séduction für 13:30 Uhr, meine Frau ist zufällig in der Gegend und muss jeden Moment hier sein.“

Marilyn: „Schon geschehen, wir erfüllen ihre Wünsche bevor Sie sie kennen.

Caspar: „So lobe ich mir das.“ Den zweiten Halbsatz sprach er nicht aus, der war irgendwie in ihm aufgekommen und er schluckte ihn runter. Er wusste nicht recht, was er damit anfangen sollte, also schenkte er ihm keine weitere Aufmerksamkeit, der Halbsatz lautet: „dafür bezahle ich sie auch.“

Damals war Caspar dreiundreißig Jahre alt und bereits seit drei Jahren verheiratet. Es war eine glänzende Hochzeit und ein rauschendes Fest. Ein Hunderttausender. So nannte man die Feste, die 100.000 Euro und mehr kosteten. Das war der Anspruch. Caspar selbst war in die Planung wenig involviert, das war ihm ganz recht. Ich schaffe das Geld ran, ausgeben sollen es andere, dachte er. Sagen würde er das nicht. Dann wäre was los. Besser nicht.

Das einzige, was er ausgesucht hatte, war das Hochzeitsgeschenk für seine Frau. Es war ein Gemälde des zeitgenössischen Malers Pierro de la Crux. Der unterzeichnete alle Gemälde unten rechts mit Crux. Das fand Caspar klasse. Jeder Zweite würde ihn darauf ansprechen, ob er das Bild selber gemalt hätte, dann würde er etwas ausholen und sagen, nein, ich bin zu beschäftigt, ich kann nicht auch noch malen. Dann würden sie fragen, bist du denn mit Pierro verwandt. Erneut wären alle Augen auf Caspar gerichtet und er würde souverän weiter ausholen, um die Möglichkeiten einer Verwandtschaft nicht auszuschließen, da in seiner Familiengeschichte über die Jahrhunderte durchaus Aufenthalte in Venedig und Florenz nachzuweisen sind, aber er von keinen konkreten Anhaltspunkten berichten kann. Letztlich wisse man es nicht. Bei dem Gemälde stünde außerdem nicht der Name Crux im Vordergrund, sondern die Verbundenheit seiner Frau zu dem Gemälde. Sie hatte sich sofort in das Bild verliebt. Und ihm diese Liebe repetitiv vor Augen geführt, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Bis das Bild endlich in ihrem Wohnzimmer hing.

Das Bild zeigt eine Sommergesellschaft, die auf einem herrschaftlichen Anwesen am Comer See zusammen gekommen war. Bedienstete schenken erfrischende Getränke aus. Vor dem Haus ist ein kreisrunder Brunnen, aus dem sich mancherlei Wasserspiele speisen, eingekreist von abertausenden weißen Kieselsteinen, die den Vorplatz und die lange Allee mit ihren 13 altehrwürdigen Libanonzedern bis zum Grundstücksende zieren. Es sind 13 Zedern. Nicht sieben auf jeder Seite. Das Bild gibt keinen Aufschluss darüber, ob es mal 14 waren. Überall auf dem Vorplatz des Haupthauses parken Fahrzeuge. Die einen fuhren selber mit ihren neuesten Sportwagen vor, andere bevorzugen den auf Hochglanz polierten Oldtimer mit Chauffeur. Insgesamt ein sehr illustrer Kreis.

Caspar: „So wie unser Freundeskreis, sehr illuster. Deswegen passt es so gut in unser Wohnzimmer.“

Das Bild war am Ende gar nicht so teuer gewesen. Eigentlich wollte der Künstler 500.000 Euro haben. Das war es wohl auch wert. Pierro hatte mindestens drei Jahre daran gearbeitet, alleine die Farben waren bei immer neuem Sonnenlicht so fein und harmonisch aufeinander abgestimmt, es fand sich kaum ein harter Umbruch in der Farbgestaltung, alles schien perfekt.

Als Caspar mit Pierro telefonierte, um den Preis noch einmal deutlich zu korrigieren, sagte er zu Pierro: „Es würde mich wundern, wenn das Bild einer kauft. Ich würde aber 50.000 Euro bieten. Bei uns im Weinkeller würden sich die hellen Farben ganz gut machen.

Pierro war außer sich: „Das ist ja nicht einmal der Wert der Farben. Geschweige denn die Leinwand und die Arbeit und das Herzblut. Ich habe ewig gebraucht, bis ich sämtliche natürlichen Disharmonien in den Farben aus dem Bild gearbeitet hatte, nur um zu verdeutlichen, dass diese verdammte Gesellschaft eine Scheingesellschaft ist, die wie ein Luftballon zerplatzt, wenn man sich ihr auch nur mit der kleinsten Nadel nähert und mal schaut, ob sie Leid und Schmerz ertragen kann wie ich.

Caspar sagte: „Genau diese Wut habe ich sofort in dem Bild gesehen. Deswegen finde ich es ja auch ganz passabel, aber seien wir ehrlich, das will keiner kaufen. Das ist vollkommen unnütz. Wer soll sich diese Parodie ins Zimmer hängen. Also, ich biete 25.000 Euro. Ich erwarte ihren Rückruf.“ Caspar beendete den Anruf.

Pierro war tief getroffen. Erkannte denn keiner die Schönheit, die seine Augen ihm darlegten. War er überhaupt ein Mensch und für diese Welt bestimmt, wenn alle um ihn herum Anerkennung für ihre Fähigkeiten bekamen, nur er nicht. Er ertrank seinen Frust in dem billigsten Wein, den er finden konnte. Pierro war pleite und jetzt auch das noch. Sein bestes Bild. Sein bisheriges Meisterwerk. Die Arbeit von drei Jahren. Er sah sich als Nichtsnutz. „Nichts kann ich, nichts will ich, nichts hab ich.“ Dann schlief er ein und als er aufwachte, wusste er, er wird das Bild verkaufen, für 25.000 Euro, ohne zu verhandeln, ohne Wenn und Aber.

Caspar kannte Pierros Finanzsorgen. Pierro hatte offen darüber berichtigt. Deswegen spielte Caspar die Sache locker runter und wartete im Grunde schon auf Pierros Anruf. Er wäre bereit, bis 50.000 Euro mitzugehen, aber das war gar nicht nötig. Pierro sagte für 25.000 Euro zu und drei Tage später hatte die Spedition das Bild abgeholt. Jetzt schmückte es das Wohnzimmer der noch jungen Familie Crux im Hochtaunus.

Caspar dachte sich damals, auch auf dem Kunstmarkt herrschen marktwirtschaftliche Gesetze und die habe ich verstanden. Dann wieder so ein zweiter Halbsatz, „meine Frau denkt, ich schenke ihr ein 500.000 Euro Bild zur Hochzeit. Gutes Geschäft.

Caspar ging es nicht ums Geld. Er verdiente hervorragend. Seit Jahren. Aber ein gutes Investment ist nun mal ein gutes Investment. Ein Triumph. Ein Hochzeitsgeschenk dieser Kategorie für 25.000 Euro, nicht schlecht. Bei seinen Investitionen geht Caspar nach strikten Grundregeln vor. Zunächst definiert er, was er braucht. Daraus ergibt sich eine Liste von Investitionsmöglichkeiten. Dann gilt, dass er nie mehr als die Hälfte des eigentlichen Wertes eines Produktes zahlt, in der Regel zahlt er ein Drittel des Wertes, besser weniger. Insofern passt das Bild ins Schema und ist seinen Preis wert, dachte sich Caspar, selbst wenn wir uns scheiden lassen und es später mal wieder verkaufen wollen oder es dann einfach im Streit zerfetzen. Das wäre was, ein 500.000 Euro Bild im Streit zerfetzen.

Solche Trades sind sein Geschäftsfeld. Für oder gegen die Entwicklung von Werten jeder Art wetten. Der Finanzmarkt hat im Laufe der Jahre viele verschiedene Möglichkeiten dieser Wetten erfunden und mit tollen Namen versehen, aber letztlich bleiben es Wetten. Bei manchen ist das Risiko hoch, bei anderen gering. Manche verstehen was davon, viele nicht. Doch die meisten wollen mitspielen. Gut für mich, denkt sich Caspar, denn ich weiß, was ich tue. Ich habe ein Bauchgefühl bei politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und tausche mich täglich mit den besten Leuten aus. Zusammen haben wir hinreichend Marktmacht. Gut für mich, mein Spiel. Ich kenne die Muster von typischen Wertentwicklungskurven. Wer das Wissen nicht hat und trotzdem mitspielt, ist ehrlich gesagt selber schuld.

Früher war Caspar in London, da hat er noch das Geld von anderen Leuten investiert, dreistellige Millionenbeträge, einen Bruchteil des Gewinns hat er jährlich als Bonus erhalten. Den hat er ein paar Jahre gespart und investiert nun mit Eigenkapital gehebelt über den Verfügungsrahmen verschiedener Banken. Caspar: „Das waren Zeiten in den 1990ern und 2000er in London, unfassbar.“ Heute machen seine Kollegen am gleichen Schreibtisch fast nur noch Vermittlungsarbeit, das heißt der Kunde ruft an und sagt, er kauft Stückzahl x von Finanzprodukt y. Die Investitionsentscheidung ist also schon getroffen, wenn die Kunden anrufen. Er führt die Order aus, kauft die Produkte für den Kunden, weil sein Arbeitgeber an der jeweiligen Handelsplattform gelistet ist. Das ist natürlich was ganz anderes als früher. Da ging man noch richtig ins Risiko. Da war noch Feuer drin. Heute ist dieses Geschäft bei den Banken fast eingestampft. Da läuft nichts mehr. Die Regularien haben sie zugezogen. Für solche Geschäfte braucht man vor allem viel günstiges Kapital im Markt und wenig Regulierung, damit man kleine, aber sichere Gewinne auch mal hochskalieren kann. Das läuft heute wegen der Eigenkapitalabsicherung und den ganzen Basel-Vorschriften alles nicht mehr. Aber zu meiner Zeit hat dieser Fahrstuhl noch gut funktioniert, denkt sich Caspar. Jetzt ist die Party vorbei. Die Frage ist, wo findet die nächste statt.

Das Spiel

Der Dealer gibt Adam, Bodo und Caspar, den letzten drei Teilnehmern des Tournaments, die ersten Karten.

Die Spieler schauen drauf. Als erster blickt Caspar wieder auf und lenkt seinen Blick direkt auf Adam, dann auf Bodo. Er will schneller sein, will ihre Reaktionen lesen. Adam zieht seine rechte Wange nach oben, erwidert den Blick von Caspar nervös und fügt einen Schnalzlaut hinzu. Verloren, Caspar wusste sofort, dass Adam keine gute Hand hat. Bodo sieht lange in seine Karten, es scheint fast so, als würde er rechnen. Ihm fehlt seine Canon. Aber nun gut, man kann nicht alles haben. Dann hebt er den Kopf. Er hat die Blicke von Caspar intuitiv vernommen und schaut ganz bewusst Adam an, nickt ihm zu und zieht ein breites Grinsen auf. Caspar ist verunsichert und denkt sofort, der blufft.

Der Button liegt bei Bodo. Adam setzt den Small Blind. Dann ist Caspar an der Reihe. Er setzt den Big Blind und verdoppelt den Einsatz mit ruhiger Handbewegung gefolgt von einer fast entschuldigenden Mundbewegung und tiefen Blicken in die Augen seiner Mitspieler. Er will die Gunst der Spieleröffnung nutzen und sofort die agierende Rolle einnehmen. Bodo legt seine Karten weg und signalisiert damit, dass er diesen Einsatz nicht mitgehen werde. Bodo: „Fold.

Adam ist verunsichert. Er denkt. Seine Gedanken spielen im Selbstgespräch ihr eigenes Spiel. Den Small Blind hat er bereits gezahlt. Der blufft doch, dieser schmierige Typ. Wer glaubt er zu sein. Hemd auf, dicke Uhr, Martini, Sonnenbrille, Zahnstocher. Mehr Klischee geht ja wohl nicht. Dem zeig ich es. Adam: „Call.“ Der Dealer zieht die noch ausstehenden Chips mit einem langen Holzstab zu sich.

Der Dealer deckt die drei Karten in der Mitte des mit feinem grünem Samt bezogenen Spieltisches auf. Flop.

Dealer: „Drei Mal Herz. Ass, Dame, König.

Adam sieht nochmal in seine Karten. Mhh, gar nicht so schlecht. Ich habe ein Herz, wenn noch ein Herz kommt, habe ich einen Flush. Darauf spekuliere ich. Adam checkt. Caspar verdoppelt das doppelte Big Blind.

Adam schaut verunsichert seine Frau an, die sich inzwischen hinter Caspar im Publikum positioniert hat. Sie kann ihm nicht helfen. Sie kennt seine Karten nicht. Adam denkt sich, jetzt hab ich schon so viel investiert, jetzt will ich es wissen. Adam sagt: „Call“ und setzt damit den doppelten Betrag des doppelten Big Blind. Caspar grinst als der Dealer die Chips ein weiteres Mal zu sich zog.

Die nächste Karte. Turn.

Dealer: „Kreuz sieben.

Adam checkt. Caspar sagt: „All in.

Adam schwitzt. Er ist unter Druck und zeigt körperliche Reaktionen. Er schaut seine Frau an. Sie kann ihm nicht helfen. Sie kennt seine Karten nicht. Verdammt, denkt sich Adam, was soll ich machen. Wenn ich aussteige, gelte ich als Angsthase und habe deutlich weniger Chips als die anderen, dann habe ich sogar weniger als Bodo. Das kann ich nicht machen. Das ist keine Option. Adam: „Call.

Caspar grinst nicht. Er hat Adam beobachtet und er tut ihm schon fast leid. Caspar hat diese Visionen, wenn er Menschen beobachtet. Manchmal steht in ihren Augen, was sie denken. Das Selbstgespräch, das Adam in den letzten Sekunden führte, war sehr unschön. Deswegen empfindet Caspar Mitleid. Aber Spiel ist Spiel. Und in jedem Spiel gibt es am Ende Gewinner und Verlierer.

Doch der Gedanke, warum er Mitleid empfindet, lässt Caspar nicht los.

Er gerät in ein Selbstgespräch:

Warum Mitleid? Das kenne ich nicht von mir. Wir sind die letzten drei Spieler von über einhundertfünzig Teilnehmern, warum habe ich Mitleid? Caspar sucht den Wortstamm. Mitleid ist die gefühlte Anteilnahme am Leid anderer. Ja, eine Art teilnehmender Schmerz ist es. Er bezieht sich auf die Lage des anderen, richtig. Jedenfalls ist es real, sonst würde ich nicht zögern die Karten aufzudecken und meinen Triumph zu feiern. Das Gefühl verwirrt mich. Warum fängt mein Herz an schneller zu schlagen, warum zeige ich jetzt körperliche Reaktionen? Das macht keinen Sinn.

Ruhig Caspar, bleib ruhig, alles ist gut, deck die Karten auf und die Situation ist beendet.

Um dieses Gefühl zu empfinden, muss ich mich in meinen Gegenspieler hineinversetzt haben. Das mache ich öfter, ich versetze mich öfter in andere Menschen hinein, aber warum dieser Schmerz. Schmerz in einem Poker Tournament kurz vor dem Finale mit so vielen Teilnehmern. Das macht doch keinen Sinn. Es ist ein Spiel. Und das habe ich gewonnen. Warum Mitleid? Es muss etwas anderes sein. Hier geht etwas vor sich, dass ich nicht verstehe. Warum schaust du jetzt nervös auf den Boden, Caspar. Was ist mit dir los, reiß dich zusammen und deck die Karten auf.

Ich will das jetzt wissen, was ist das für ein Gefühl, warum nehme ich teil am Leid anderer während ich ins Finale des Tournaments gegen einen sicherlich nicht bettelarmen Unternehmer einziehe. Nur weil er verliert, hat er doch kein leidbringendes Übel erlitten, es geht weiterhin nur um Geld, was er nicht gewonnen hat. Oder hat er gerade mehr verloren?

Er hat mehr verloren. Verdammt, es geht hier nicht ums Geld. Es geht hier nicht um das Tournament. Es geht um sein Selbstgespräch. Ich habe seine Gefühlswelt empfunden. Mir wird schlecht.

Caspar bleib ruhig und deck einfach die Karten auf. Einfach die rechte Hand heben, Zeigefinger und Daumen zu den Karten und diese umdrehen.

Diese impulsive Gedankenwelt war überwältigend chaotisch. Ich hätte nie gedacht, dass man in so einem innerlichen Chaos irgendwie sozialtauglich leben kann. Was der gedacht und empfunden hat, kann man kaum beschreiben. Das war einfach nur impulsiv, negativ und chaotisch. Es war wie ein tiefer Abgrund und er stand in der Mitte darüber auf einem wackeligen Stein und hat mit letzter Kraft und zittrigen Knien versucht, die Balance zu halten. Deswegen das Mitleid. Jetzt verstehe ich es. Mir ist übel, ich glaube, ich gehe mich besser erfrischen.

Caspar, decke zuerst die Karten auf, dann kannst du gehen. Jetzt! Deck die Karten auf!

Es ist so warm hier drin. Das empfindet der jeden Tag? Unfassbar. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr dessen Leid empfinden.

Caspar beendet sein Selbstgespräch und deckt seine Karten auf.

Er hat zwei Asse.

Die letzte Karte. River.

Dealer: „Piek Ass. Four of a kind, die Asse gewinnen.“    

Adam deckt seine Karten nicht auf. Er steht auf, bedankt sich vor allen ausschweifend mit einem hohen Geldschein beim Dealer, verabschiedete sich von Bodo und Caspar, verließ wortlos das Plaza und nörgelte auf dem Rückweg an allem herum, nur nicht an sich auf dem wackeligen Stein. Seine Frau sagte nichts dazu, sie schaute aus dem Fenster. Sie hatte oft genug versucht, ihn auf die Wurzeln seiner Nörgelei aufmerksam zu machen.

- Heads up -

Am Tisch bleiben Bodo und Caspar. Der Moderator des Tournaments läutet zunächst eine kurze Pause ein. Die Beleuchtung flackert in verschiedenen bunten Lichtern auf. Dazu ertönt laute Musik. Kurzversionen der allseits bekannten Songs „I came for you“, „lets get physical“, „beat it“ werden aneinander gereiht als Mix abgespielt. Die Stimmung heizt sich auf. Mittlerweile stehen viele Zuschauer um den Finaltisch und warten gespannt auf die letzten Runden. Sie klatschen spontan im Rhythmus, um die Anspannung und ihre Energie zu kanalisieren. Viele scheinen Bodo den Sieg zu wünschen, sie rufen seinen Namen, winken ihm zu, signalisieren ihre Zuneigung über Daumen-hoch sowie Faust-Handbewegungen. Alle Teilnehmer sind geblieben, um den Sieger zu ehren, nur Adam ist gefahren. 

Bodo nimmt das alles kaum wahr. War er eben noch ruhig und hat sich das alles nicht anmerken lassen, vernimmt er jetzt mit der Musik und aufgeheizten Stimmung im Saal in sich dieselbe intensive Anspannung, die er damals vor seinem Kreuzbandriss spürte. In dem Spiel damals, als es passierte, war irgendwas anders. Die Lockerheit war auf einmal nicht mehr da gewesen. Obwohl sich augenscheinlich nichts geändert hatte, fehlte der Spaß am Sport. Er versuchte es aufzuarbeiten. Im Krankenhaus hatte er genug Zeit. Aber auch nach tagelangem Grübeln kam er nicht weiter. Er fand keinen Ansatzpunkt, warum er die Anspannung genau vor diesem Spiel so intensiv spürte. Irgendwann war er es leid geworden und hatte die Sache innerlich nicht weiter verfolgt. Durch den Kreuzbandriss war die Karriere ohnehin gelaufen. Jetzt ist die Anspannung jedenfalls wieder da. Was heißt das jetzt, fragt sich Bodo. Er hat das Gefühl sofort erkannt. Damals endete sein Tag im Krankenhaus. Er fragt sich, wie es heute enden wird.

Bodo gerät in ein Selbstgespräch:

Naja, wenn mein Gegenspieler jetzt nicht gerade durchdreht, sollte ich den Tag überleben. Durchdrehen? Warum sollte der durchdrehen? Das macht keinen Sinn, Bodo, bleib ruhig und konzentriere dich auf das Spiel. Er sieht auch nicht so aus, als ob er gleich durchdrehen würde. Aber man weiß nie. Sieht man es jemandem an, dass er gleich durchdreht? Ich weiß es nicht, ich war noch nie dabei als einer durchgedreht ist. Ich denke aber, dass man es sieht. Wobei sich meine Gedanken auch gerade ein wenig verselbständigen. Bodo, aber zwischen Gedanken verselbständigen sich und durchdrehen ist doch wohl noch ein himmelweiter Unterschied. Wirklich? Ich weiß nicht, wie himmelweit dieser Unterschied ist. Ich bin noch nie durchgedreht und hab auch noch keinen gesehen, der durchgedreht ist. Ich weiß nicht mal, was mit durchdrehen eigentlich gemeint ist. Aber so langsam kriege ich das Gefühl, dass ich gerade durchdrehe.

Ruhig, Bodo, es gibt kein Problem, du spielst jetzt kurz die Finalrunde und dann gehst du mit dem Gewinn nach Hause.

Ja klar, als ob ich gegen den gewinne, guck dir den mal an. Der ist jeden zweiten Tag hier. Für den bin ich eine kleine Zwischenmahlzeit. Wie der den anderen gerade vom Tisch genommen hat, das war richtig stark.

Was hat es mit dieser Anspannung auf sich? Dieses Mal verspreche ich, dass ich mich damit beschäftige. Ich will wissen, wo sie herkommt. Aber erst morgen, ok? Jetzt nicht. Ich hab hier eine riesige Chance für Doris und mich eine wunderbare Altersvorsorge zu sichern. Also. Jetzt nicht! Ab morgen!   

Bodo schaut Caspar voller Entschlossenheit direkt in die Augen. Sein Gedanke an seine Frau und die glückliche gemeinsame Zukunft stärkte Bodo. Caspar ist dadurch irritiert. Eigentlich hat er die Hoheit über die Blicke. Er setzt den Rahmen. Er eröffnet das Spielfeld. Eigentlich hat er im Gefühl, wer sich wie verhalten wird, wer wen als nächstes auf welche Weise anschaut. Und wenn sich einer anders verhält, dann signalisierte er ihm deutlich, dass er dies lieber lassen solle. Doch dieser Blick von Bodo ist anders. Der passt nicht in sein Spiel. Er verunsichert ihn. Er stellt sein Spiel in Frage. Es scheint ihm fast so, als ob Bodo mit diesem Blick sein eigenes Spielfeld eröffnen wolle. Als ob er seinen eigenen Rahmen setzen wolle. Caspar versucht die Oberhand zu gewinnen und starrt Bodo an. Doch der denkt nicht daran, den Blick zu erwidern. Warum auch. Er hat seinen Punch gesetzt und spürt das. Er spürt seine Sicherheit und Caspars Unsicherheit.

Der Dealer gibt den letzten beiden Spielern die ersten Karten. Sie schauen drauf. Sie schauen sich an, ihre Blicke sind inhaltsleer, sie fokussieren sich nicht, sie blicken innerlich an sich vorbei.

Der Button liegt bei Caspar. Bodo setzt den Small Blind. Caspar setzt den Big Blind. Bodo: „Call.

Der Dealer deckt die drei Karten in der Mitte des Spieltisches auf. Flop.

Dealer: „Drei Mal Kreuz. Bude, Dame, König.

Puh. Die Spieler atmen tief durch und schauen noch einmal in ihre Karten.

Beide Spieler checken.

Caspar nickt dem Dealer zu und signalisiert dadurch, dass dieser die nächste Karte aufdecken soll. Turn.

Dealer: „Herz Dame.

Bodo schaut Caspar an, zieht beide Augenbrauen kurz zu einer Art Zwinkern nach oben, schmunzelt und sagt: „Herz Dame, jetzt hab ich zwei, besser kann es nicht laufen!“.

Beide Spieler lachen spontan und heftig los, aus vollem Herzen. Bodos Anspannung fällt ab. Sie kommen kaum zur Beruhigung, schauen sich immer wieder an, lachen nochmal und nochmal von neuem los. Bodo hatte den Ausspruch gar nicht bewusst getätigt, er platzte einfach aus ihm heraus. Macht der Gewohnheit. Seit er seine Frau Doris Dame kannte, brachte er bei jedem Spiel, bei dem diese Karte aufgedeckt wurde, immer den gleichen Spruch. Allerdings hatte bisher noch nie ein Spielpartner darüber gelacht, im Gegenteil, seine Frau war jedes Mal sichtlich genervt. Bodo denkt sich, endlich einer mit meinem Humor.

Was er in der Aufregung außer Acht lässt, ist der Umstand, dass Caspar den Nachnamen seiner Frau, Dame, gar nicht wissen kann. Wegen dieser Doppeldeutigkeit des Namens hatte Bodo den Spruch eigentlich gebracht.

Caspar dagegen dachte, Bodo hätte seine Karten gelesen, so wie er manchmal Eingebungen hat und die Karten von anderen Spielern kennt, und hätte mit dem Ausspruch ausdrücken wollen, dass beide schlechte Karten haben und die höchste Hand mit dem Pärchen Damen bereits auf dem Tisch liegt.

Doch dass jeder Spieler seine ganz eigene Interpretation, Faszination und humoristische Seite an dem Ausspruch findet, scheint im Saal niemanden zu interessieren, solange beide Spieler herzlich lachen.

Der große Saal der Belletage des Plaza feiert. Bodos Ausspruch, der bereits viele Male ohne weitreichende positive Wirkung verklungen war, schlägt ein wie eine Bombe. Batz. Die Zuschauer nehmen die Fröhlichkeit der Spieler an und krümmen sich ebenfalls vor Lachen, auch wenn sie erst Recht keine Ahnung haben, wer eigentlich warum überhaupt lacht. Das scheint egal zu sein. Sie wollen unterhalten werden und Bodos Ausspruch passt in dieser Sekunde in ihr Unterhaltungsbedürfnis wie die Faust aufs Auge. Was für ein witziger Typ, flüsterten sich die Frauen gegenseitig in die Ohren. Doris Dame sitzt im Publikum, schaut Bodo an und denkt sich, er ist wie er ist, was soll ich machen. Dieses Mal war sie von dem Ausspruch nicht genervt. Sie wartet auf einen liebevollen Blick von ihrem Bodo. Der aber krümmt sich weiterhin vor Lachen.

Mit diesem Ausspruch hat Bodo das Eis gebrochen. Die Anspannung ist abgefallen, von den Spielern und von den Zuschauern. Es scheint fast so, als ob der ganze Saal ein anderer wäre. Die Stimmung ist wie ausgewechselt.

Beide Spieler haben bisher ein Pärchen, mehr nicht.

Bodo spielt mit den vor sich liegenden Chips herum und nimmt gerade ein paar davon in seine Hand, um sie vor sich hinzulegen. Da kommt ihm ein Gedanke. Der andere Spieler hat doppelt so viele Chips wie du. Was heißt das? Das heißt, dass es nicht gut aussieht. Aber irgendwie fühlt sich die Situation gut an. Irgendwie scheint das Schicksal mir gewogen. Der ganze Saal tobt wegen mir. Es liegt Herz Dame. Wie kann ich da nicht…

Bodo: „All in.

Die Zuschauer können es nicht fassen, Bodo, der große Abenteurer, ist all-in gegangen. Sie springen um den Tisch wie kleine Kinder, umarmen sich. Der große Saal des Plaza tobt. Selbst der bislang so kühle Dealer lächelt Bodo zu und zollt ihm mit heruntergezogener Mundpartie Respekt über ein angedeutetes Kopfnicken.

Bei dieser Stimmung im Saal kann Caspar nicht anders: „Call.“ Er deckt seine Karten auf. Piek Ass und Herz Sieben.

Bodo zuckt mit den Schultern und sagt augenzwinkernd: „Ich hab auch nicht mehr, mir bleibt nur die Hoffnung.“ Er deckt auf, Kreuz Ass und Karo Sieben.

Caspar schmunzelt nun noch mehr als vorher, da er Bodos Hand sofort versteht. Bodo hat längst aufgehört zu rechnen. Er badet in dem wohligen Gefühl der Anerkennung durch den Saal.

Der Dealer schaut beide Spieler nacheinander an und erhält jeweils Zustimmung durch Kopfnicken. Er darf fortschreiten. River.

Dealer: „Kreuz Zehn.

Dealer: „Herzlichen Glückwunsch. Royal Flush, die höchste erzielbare Hand des Spiels. Das ist selten.

Die Zuschauer rasten aus wie eine Horde angestochener Stiere im Strassenkampf. Alle strömen zu Bodo. Sie wollen ihn anfassen. Manche werfen ihre Gläser in die Höhe, andere können nicht mehr stillstehen und springen in der Luft herum. Bodo weiß nicht, was los ist.

Das ist ihm aber auch egal. Endlich hat die Welt seine Genialität entdeckt. Wahnsinn, ja, das fühlt sich richtig an, denkt Bodo. Er schaut Caspar an und auch Caspar genießt die Situation mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Wer hat denn jetzt gewonnen, fragt sich Bodo. Er hätte sich nicht getraut, diese Frage zu stellen. Aber das war eh nicht möglich bei dieser Lautstärke und diesem Chaos hier.

Die Frage erübrigt sich nach ein paar Sekunden, als der Dealer einen riesigen Berg Chips vor Bodo aufbaut. Bodo hat gewonnen. Der Dealer versucht der Situation Herr zu werden und spricht mit bestimmter Stimme. Seine Worte gehen in dem Getöse unter wie stumme Mundbewegungen. Nach zehn Minuten schreitet die Tournament-Leitung ein und versucht die Zuschauer zu beschwichtigen. Doch die denken nicht daran, bestellen Champagner-Flasche nach Champagner-Flasche, alle wollen den Triumph mit Bodo begießen. Sie kreischen und schreien, springen durch die Luft und wollen mit ihm tanzen.

Als Bodo sich gerade gänzlich der reißerischen Stimmung hingeben will, bemerkt er, dass Caspar seelenruhig an seinem Platz sitzt. Das beeindruckt ihn. Den hab ich anders eingeschätzt, das ist wirklich ein guter Verlierer, denkt Bodo. Dann schaut er etwas abergläubisch auf den Tisch und sieht, wie Caspar mit den ihm verbleibenden Chips in den Händen kleine artistische Kunststücke aufführt. Plötzlich entgleitet Bodo die Fassung. Der hat ja noch Chips, denkt Bodo, ich habe noch gar nicht gewonnen, es gibt noch gar nichts zu feiern. Wie eine Peitsche fegt ein Schreck durch seinen Körper. Nach ein paar Sekunden rappelt er sich innerlich auf, fast seinen Mut zusammen, klettert auf den Tisch und bringt die Zuschauer mit beruhigender Handbewegung dazu, sich wie in Reihe und Glied geordnet um den Tisch zu versammeln.

Der Dealer nickt Bodo dankend zu. Die Leitung des Tournaments kann sich wieder in den Hintergrund begeben und verzichtet auf das erneute Einspielen aufheizender Musik. Caspar lässt weiterhin seelenruhig lächelnd seine verbleibenden Chips kunstvoll durch seine Hände gleiten.

Es geht weiter.    

Der Dealer teilt den letzten Spielern die ersten Karten aus. Sie schauen drauf. Sie schauen sich an und lächeln. Caspar gibt sich nicht der Illusion hin, jetzt noch irgendeine rationale Reaktionsmöglichkeit in Bodos Augen lesen zu können. Die Situation im Saal ist komplett außer Kontrolle. Er kann sie nicht mit seinen Erfahrungen abgleichen, um daraus eine wahrscheinliche Reaktion zu errechnen. Zudem hatte er in den wenigen vergleichbaren Situationen bislang nie brauchbare Intuitionen gehabt. Also, spielen wir einfach runter, mal schauen, was kommt, denkt sich Caspar.

Bodo dagegen ist euphorisiert. Noch bevor der Dealer den Flop aufgedeckt hat, steht er auf, schaut die Zuschauer an, schaut den Dealer an und brüllt: „All in.

Caspar verdreht die Augen.

Die ohnehin verwirrten Zuschauer, die Bodo bereits als Tournament-Gewinner feierten und in ihrer Feierlaune nicht bedacht hatten, dass Caspar noch Chips hat, sind nun komplett irritiert.

Caspar sagt „call“ und deckt seine Karten auf. Kreuz Ass, Piek Ass.

Bodo folgt ihm, vor ihm liegen Herz Dame und Kreuz Bube.

Im Saal wird es mucksmäuschenstill. Keiner sagt ein Wort, keiner traut sich auch nur zu Räuspern.

Der Dealer geht seiner Arbeit nach. Flop.

Dealer: „Karo Sieben, Karo Bube, Piek Neun.

Turn.

Dealer: „Herz Ass.

River.

Dealer. „Herz Zehn.

Der Dealer zieht die Hälfte von Bodos Chips ein und schiebt sie zu Caspar.

Caspar ist jetzt Chipleader.

Caspar braucht eine weitere Hand, um Bodos restliche Chips zu erspielen.

Caspar gewinnt das Poker Grand Tournament 2023.

Die Zuschauer klatschen aus Anstand.

Caspar verneigt sich.

Bodo ist traurig.

Adam nörgelt.

Als alle Teilnehmer und Zuschauer des Tournaments das Plaza verlassen hatten, lag für einige Zeit eine gewisse Schwere in der Luft der Belletage des mondänen Gasthauses. In diese schwere Luft schrieb der abends in der Bar spielende Pianist mit seinen Klängen ewige Botschaften: Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden (Mt 25,29).

Epilog zum Spiel

Ein Jahr später klopft es sonntags morgens um 11 Uhr an den Haustüren von Adam Abraham und Bodo Bengel.

Ein Bote überreicht einen satten Blumenstrauß mit ausschließlich grün-weißen Farben und stellt sich vor. Er habe einen Brief zu übergeben. In das dicke Briefpapier ist ein Monogramm eingestanzt, die Klappfalte des Briefumschlages ziert ein Siegel. Der Bote öffnet den Briefumschlag und übergibt das Schriftstück.

 „Lieber Mitspieler,

ich bedanke mich für die sehr amüsante gemeinsame Zeit.

Anbei eine kleine Aufmerksamkeit, damit Sie im Spiel bleiben.

Anzeige und Entrichtung der Schenkungsteuer sind mit der Bank vorbesprochen.

Die Aufmerksamkeit ist ein Scheck, ausgestellt durch eine Frankfurter Privatbank. Er lautet auf einen Betrag von 123.750 Euro. Der Bote nimmt den Brief wieder an sich und verschwindet.

Erläuterndes Nachwort

Unsere individuellen und kollektiven Bewusstseinsebenen sind die unbekannten Wesen, die es im lokalen wie globalen Kontext ehrlich offenzulegen und in wohlklingende Koexistenz zu führen gilt. Viele kleine und große Spiele des globalen Spiels scheinen sich dem Ende zu neigen. Manche Aasgeier speisen noch am Kadaver, holen sich ihr optimales Maximum. Doch der Sturm der Zeitenwende ist längst aufgezogen. Unser Bauchgefühl signalisiert Unruhe. Auf dem Spiel steht mal wieder das, was alles zusammenhält. Vertrauen. Es herrscht Einigkeit, dass wir unser globales Verhalten ändern sollten. Doch wie so oft macht keiner den ersten Schritt, um nicht der Letzte zu sein, der Vertrauen schenkte, aber enttäuscht wurde.

Vielleicht sollten wir Individuen ihn machen und einfach anfangen eine Vision von uns im Rahmen der uns umgebenden, von uns beeinflussbaren Spiele zu entwickeln. Jeder hat die Chance neue Spielregeln für sich oder sogar ganze Spiele neu zu kreieren und darüber seine lokalen wie globalen Gemeinschaften zu beeinflussen. Der eine mehr, der andere weniger. Wer seine Chance nicht nutzt, verwirkt das Recht, sich über die Resultate zu beklagen. Es besteht wohl Einigkeit, dass Begegnungen wie jene von Adam, Bodo und Caspar, bei denen unterschiedliche Individuen sich tiefgreifende Aufmerksamkeit schenken, am Ende für viele ein Gewinn sein können. Adam wollte seinen gesellschaftlichen Status bekunden. Dies konnte er. Bodo hat Anerkennung erfahren wie noch nie. Caspar wollte gewinnen und hat gewonnen. Aus dieser Perspektive haben alle das bekommen, was sie wollten. Nun sagen manche, alle wollten insgeheim gewinnen.

Nun gut, wer den Gewinn des Tournaments anstrebt, der muss wissen, dass dieser Gewinn Opfer erfordert. Caspar hat nicht ohne Grund gewonnen.

Er hat Opfer gebracht, als er in London den Bonus sparte und ihn eventuell riskant investierte, ihn nicht verkonsumierte, sondern verzichtete - alles in Aussicht zukünftiger Freiheit. Bodo war, auch wenn er weniger hatte, nicht bereit, Opfer zu bringen. Er wollte das zweite Auto nicht aufgeben. Diese zukünftige Freiheit ist nicht nur eine materielle Unabhängigkeit, sondern vor allem die innere psychische Unabhängigkeit, Umstände, die nicht zusammenpassen, nicht forcieren zu müssen, sondern auf Gelegenheiten warten zu können, bei denen die Dinge wirklich zusammenpassen. Jeder will sich in der Lage wiederfinden, dass er etwas kann, aber nicht muss. Dieser Zustand ist aber multidimensional, es bedarf neben einer gewissen materiellen Unabhängigkeit, vor allem innerer psychischer Unabhängigkeit. Beides ist zwingend miteinander verknüpft.

Abgesehen von einer existenziellen Grundversorgung bedeutet materielle Unabhängigkeit für jeden etwas anderes. Einige stellen sich einen absoluten Betrag vor, andere fühlen sich materiell unabhängig, wenn sie mehr haben als andere. Letzteres inneres Gefühl, ist aufgrund der relativen Beziehung etwas gefährlicher, weil es sich ändert, je nachdem wer einen umgibt.  

Die innere psychische Unabhängigkeit kann dadurch erreicht werden, dass der Einzelne eine Vision entwirft, wie er als Mensch sein möchte und dann Regeln festlegt, nach denen er diese Vision ständig wachsend anstrebt. In Caspars Persönlichkeit zeigt sich das sehr gut darin, dass er klare Regeln hat, wie er investiert. Er bestimmt zuerst, was er benötigt, dann hat er eine Liste von Zielobjekten, für die er maximal die Hälfte des Marktwertes bereit ist zu zahlen. Dann wartet er, bis sich dieser Umstand einstellt. Das heißt aber auch, dass er seine Impulse gut im Griff haben muss. Denn er will die Zielobjekte haben, sonst stünden sie nicht auf der Liste. Es muss aber eine zusätzliche Vorgabe erfüllt sein, nämlich der Preis des Zielobjektes. Strukturell hat er sich bereits damit abgefunden, das sein Wunsch nach dem Zielobjekt unerfüllt bleibt, wenn aber die Gelegenheit kommt, schlägt er zu. Interessant ist, dass er, wenn die Vorgaben bei einem Angebot nicht erfüllt sind, auch gar nicht weiter darüber nachdenkt und er folglich mit der Entscheidungsfindung keine Energie verschwendet.

Die Stringenz in Caspars Handeln, die dann auch Pierro zu spüren bekommt, der nur einen Bruchteil des Wertes für seine Arbeit erhält, mag aus anderer Perspektive unmoralisch oder brutal erscheinen. Da könnte jetzt derjenige, der sich an diesem Punkt an Caspar stört, sich selbst eine weitere Spielregel setzen und bei Kunstwerken eine Ausnahme zulassen. 

Bodos Leben ist bestimmt von ganz anderen, aber nicht minder wichtigen Themen. Er hat es, warum auch immer, nicht geschafft, eine gewisse Stringenz in seinem Handeln und damit eigene Spielregeln zu etablieren. Er spielt vor allem die Spiele anderer mit und erklärt sich seine Welt zurecht. Deswegen ist er nicht weniger liebenswert. Dieses Handeln ist aber zu unterscheiden von bewusst gesetzten und ausagierten Spielregeln bzw. selbst initiierten ganzen Spielen. Denn bei letzteren müssen die Spielregeln zumindest weitgehend gleich bleiben und können sich nicht bei jeder Veränderung sonstiger Umstände anpassen. Andernfalls geraten die Spielregeln sehr schnell außer Kontrolle und das jeweilige Spiel wird ganz natürlich beendet.

Das Ziel ist es letztlich, verschiedene Spiele zu kreieren, die möglichst lange Zeit von vielen verschiedenen Individuen auf eine Weise gespielt werden können, die in allen oder zumindest in vielen der Beteiligten ein gesundes Bauchgefühl hervorruft. Bodo hat vielleicht gar nicht den Anspruch, ständig neue Spiele zu kreieren, er und seine Frau waren mit der Versorgung eines Kindes an der Belastungsgrenze. Caspar nicht.

Besonders relevant wird der Prozess des Kreierens neuer Spiele bei Adam. Er ist Unternehmer in vierter Generation. Seine Familie generiert also seit sehr langer Zeit Spiele für andere Mitglieder der Gemeinschaft. Mittlerweile sind es knapp 2.000 Mitarbeiter, die ihr Spiel Beruf bei Abraham Innovative Technologies spielen. Für Adams Familie stellt sich daher schon lange die Frage, wie eine langfristig gesunde Spielstruktur gebaut werden kann. Über die grundsätzliche Ausrichtung dieser Spielstruktur handelt auch das Gespräch zwischen Adam und seinem Vater. Jede Generation, vielleicht sogar jede Einzelperson, hat ganz natürlich andere Vorstellungen davon. Wenn diese Vorstellung zu weit voneinander entfernt liegen, muss die nächst abstraktere Ebene erklommen werden und dort für die Beteiligten eine gemeinsame Vision verankert werden, die dann Teilbereiche der Vorstellungen der Einzelpersonen aufnehmen kann und andere nicht berücksichtigen kann. Auf diese Weise werden mit dem Instrument der gemeinsamen Vision, die großen Konflikte bei der Generationennachfolge vermieden und das Erhalten der Spielstruktur gesichert.   

Dabei ist es in der Regel so, dass die ältere Generation eine über Jahrzehnte selbst aufgebaute Vision und klare Vorstellungen über die Spielstruktur im Kopf hat. Die junge Generation begehrt dagegen auf und meint, vieles anders machen zu müssen. Teilweise begehrt sie deswegen auf, weil sie auch einen eigenen Anteil der Vision haben will und nicht alles übernehmen will. De facto hat sie weniger Erfahrung. Aber sie ist die Zukunft und muss die Spielstruktur irgendwann in der Zukunft auch alleine gestalten. Es ist also nicht förderlich, sie nur pro forma gestalten zu lassen. Deswegen sollte ihr  Gestaltungsspielraum und Anerkennung gewährt werden, und das Gefühl, ein hinreichend eigenes Spiel wirklich ausprobieren zu dürfen. Denn diese jugendlich-revolutionären Kräfte enthalten immer einen Kern der Zukunft.

Und doch ist es in der Wellenbewegung des jeweiligen Zeitgeistes immer wieder schwer für die Verantwortlichen der Spielstruktur, sich zu häuten, sich in der Vereinigung der Bewusstseinsebenen neu zu entdecken, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten. Viele geben dann adrenalingetränkt Vollgas, erzeugen wirkungslose Konflikte, unter deren Staubwolke der Vision, für die sie jeweils kämpfen, gar keine Luft zum Atmen bleibt.   

Ludi incipiant

Wer noch keine eigene Spielstruktur hat, für den werden nun abstrakt-generelle Überlegungen zur künftigen Entwicklung der kollektiven globalen Spielstruktur angestellt.

Unsere Physis ist fürs erste gut beleuchtet, sie hat sich seit jeher ständig gewandelt, wird es weiterhin ständig tun. Natürlicher Anpassungsprozess. Wir pflanzen Herzschrittmacher in menschliche Körper. Wir werden bald menschliche Herzen in Roboter pflanzen. Als menschliches i-Tüpfelchen einer neuen Spezies. Der neue Mensch? Wir kennen die Gedanken. Ohne gesunde, überlebensfähige Vision können sie uns an sehr grausame Orte führen. Mit kompromisslosen Robotern als Lagerwärter. Da wollen wir nicht wirklich wieder hin. Wer über sich hinauswachsen will, sollte Acht geben, wohin er strebt. Doch Visionen fehlen. Wir wundern uns, warum sich keiner mehr an tradierte Spielregeln hält. Weil kaum einer mehr freiwillig spielt. Der eine ist so unterlegen, er kann eh nicht gewinnen, es macht ihm keinen Spaß. Der andere ist so überlegen, er kann eh nicht verlieren, das Gewinnen macht ihm auch keinen Spaß. Metropolis.

Das erste Problem, wer erstellt die Spielregeln? Die Verantwortlichen. Aber wenn wir zum Beispiel in Deutschland die Frage stellen, wer denn Verantwortlicher ist, meldet sich keiner. Es besteht ein Führerkomplex. Es findet sich kein Verantwortlicher für die Krisen. Alle wollen den Status des Anführers, aber keiner trägt Verantwortung. Es fehlen Heldengeschichten, die wir uns selbst und unseren Kindern erzählen können. Wir müssen die Deutungshoheit über unsere individuellen und kollektiven Narrative zurück gewinnen. Und jetzt kommt die Zeitenwende. Die Dystopie ist, dass wir Menschen insgesamt in hundert Jahren in der neuen Spezies aufgegangen sind. Vom Aussterben bedroht. Doch das ist jede Spezies dieses Universums ständig und seit jeher. Wir wären nicht die ersten.

Die Utopie ist, dass es uns gelingt, unsere Träume, Spiele und Geschichten rechtzeitig anzupassen und im kollektiven Unterbewusstsein zu verankern. Die Vision müsste eine wohlklingende emotional ästhetische Koexistenz zwischen Menschen, Maschinen und anderen Existenzformen vorsehen. Dann hätte jeder seinen Platz im Universum. Dann wäre das Überleben der Spezies Mensch ein weiteres Mal gesichert. Wir bekämen die Möglichkeit, einen weiteren Abschnitt fließend im Universum zu wachsen.

Angenommen wir Menschen sind mehrheitlich konstruktiv, einigen uns kollektiv darauf, in Koexistenz leben und nicht aussterben zu wollen. Das wäre der Anfangspunkt zu einer gemeinsamen Vision. Wer entwirft dann utopischen Geschichten? Vor allem, wie verankern wir sie im kollektiven Unterbewusstsein? Das ist die große Frage dieses Jahrhunderts. Zeitalter der menschlichen Psyche. Friedlicher Kampf der Kulturnarrative. Das neue Spiel. Verständnis für Verschiedenheit. Homo Cooperativus.

Es gibt Menschen, die sich ihr Unterbewusstsein bewusst machen. Weltenwanderer. Sie haben die Fähigkeiten, den Bau überlebensfähiger Identitäten zu begleiten. Architekten emotional ästhetischer Spielstrukturen. Ausgehend von globalen Visionen, könnten sie neue Spiele und Narrative entwerfen, innerhalb deren multidimensionaler Strukturen wir Menschen zu erträumten Orten fließend wachsen. Spiele, in die alle Existenzen ihre Energie emotional ästhetisch investieren könnten.

Das spielende Individuum

Wenn wir uns das ganze Leben eines Menschen und jeden Tag als Ansammlung vieler Spiele vorstellen, dann wäre es die Verantwortung des Einzelnen, Spiele zu finden, die ihm überwiegend Spaß bereiten und die er nachhaltig gesund, immer wieder spielen kann. Die in ihm immer wieder positive Energie erzeugen. Im heutigen marktwirtschaftlich geprägten System der westlichen Hemisphäre hieße das, dass es für den einzelnen Menschen erstrebenswert wäre, Strukturen zu finden, in denen er Sinn und Spaß empfindet. Für spaßiges Spielen bezahlt werden. Die Suche nach den Spielen kann die kollektive Spielstruktur dem Einzelnen nicht abnehmen, denn wir Individuen wissen im Grunde nur selber und auch nur dann, wenn wir im Spiegel wirklich ehrlich zu uns sind, welche Spiele uns am meisten Spaß bereiten und in uns positive Energie hervorrufen. Kinder spielen nur Spiele, die Spaß bereiten. Wir Erwachsenen haben diese Fähigkeit verlernt. Warum eigentlich? Für Status und Geld, um nicht zu verhungern? Jetzt verhungern viele emotional, spielen häufig ohne Sinn, einfach weil sie glauben, es muss so sein. Sie schleppen sich als sich in den Vordergrund stellende, innerlich tiefgreifend verunsicherte, sich selbst das Träumen verbietende Individuen von Arbeitstag zu Arbeitstag. Aufs Minimum reduziert. Die Belastung der Spieler ist psychisch, sie wird ihnen täglich auf die Augenlider tätowiert.

Die Architekten des kollektiven Spiels sollten viele verschiedene Strukturen vorsehen, in denen die sehr verschiedenen Menschen fließend zu erträumten Orten wachsen können, in denen sie ihr Leiden ertragend, sich dennoch aus dem Bauch wohl fühlend Spiele spielen. Mehrere Spiele gleichzeitig. Damit sie ihre Energie nicht nur auf den Beruf konzentrieren. Wir kennen die holländische Krankheit. Jeder verständige Investor diversifiziert. Minimiert Risiken der Wachstumshemmnisse, die ständig, von überall, aus allen anderen Spielen plötzlich aufschlagen können wie Blitze und Sturmfluten, ohne dass es im kleinen Spiel irgendein Anzeichen dafür gab. Gespielt wird in Gemeinschaften multidimensional. Wer glaubt, die Spiele seines Lebens im Griff zu haben, der irrt. Gib mir eine Minute Ehrlichkeit, ich erschüttere dich in deinem Hochmut. Wenn die Spieler abhängig sind von einzelnen Spielen, beispielsweise vom Spiel Beruf, ist es schwieriger, den Platz eigener ausgeruhter Mitte zu finden. Daher kommen die derzeit verbreiteten Verlust- und Zukunftsängste vieler Spieler.

Viele Spieler in Deutschland konzentrieren ihre Energie auf das Spiel Beruf. Und nun naht der Umbruch. Es sind Anpassung erforderlich. Die neuen Möglichkeiten sind zu immens, als dass sie ignoriert werden könnten. Das beeinträchtigt auch alle anderen Spiele. Zeit das Fundament zu festigen. Zeit dafür zu sorgen, zu den neuen Spielen eingeladen zu werden. Dass keine klar artikulierte gemeinsame Vision besteht, erschwert die Sache.

Die Architekten der Spiele sollten Mechanismen etablieren, die davor schützen, die Leistungsgrenze ständig zu überschreiten. Dahinter steht die Erfahrung über die Wirkung auf die menschliche Psyche, die von einem ständigen Überschreiten der Leistungsgrenze ausgeht. Es finden sich immer Individuen, die für eine gewisse Zeit die Kraft haben, alle anderen Umstände auszublenden und alle Energien auf ein Ziel zu konzentrieren. Extreme Aufopferung im Rahmen eines einzigen Spiels. Das sich extrem in einem Spiel aufopfernde Individuum setzt in diesem Spiel die Leistungsgrenze für alle nach oben. Das ist jetzt der neue Maßstab. Der neue Maßstab wird irgendwann zum Standard des Spiels. Um den Standard zu erreichen, müssen alle mitspielenden Individuen alle anderen Umstände ausblenden und all ihre Energien auf das eine Spiel konzentrieren. Das ist in Deutschland gesamtgesellschaftlich passiert.

Doch Menschen leben in Gemeinschaften und spielen ganz natürlich mehrere Spiele. Der Standard der Spiele ist nun so anspruchsvoll geworden, dass sie im Grunde nur eins richtig spielen können. Viele Spieler priorisieren zurzeit das Spiel Beruf. Deswegen fühlt sich das Leben vieler Spieler nicht gut an. Das liegt aber nicht daran, dass es ihnen materiell schlecht geht. Was fehlt sind die Visionen, erträumte Orte. Man kann nun versuchen, die Standards der Spiele herabzusetzen oder Heldengeschichten über den erzählen, der seine Energie bewusst nach bestem Wissen und Gewissen in mehrere Spiele investiert. Renaissance der Familie als Primärspiel des Individuums. Die Familie ist das Power House der Welt. Hier können die allermeisten Spieler hinreichend Spaß, Anerkennung und positive Energie aus sich heraus entwickeln.

Das Gefühl der Unfreiheit ist selbst geschaffen. Es findet vor allem in den Köpfen statt. Es kann dort wieder gelöst werden. Mein Großvater sagte, nur Knechte sind immer erreichbar. Heute wollen alle Knechte sein. Sarkasmus? Nein! Dafür sind die derzeit gangbaren Wege in die Freiheit zu vielfältig. Man muss kein Knecht sein. Aber anscheinend scheuen viele die Ausgrenzung aus der Gruppe.

Immer wieder berufen sich Verantwortungsträger auf das Spiel. Sie sagen, sie könnten es nicht ändern, so sei nun mal das Geschäft. Gehalt und Status des Verantwortungsträgers rechtfertigen sich aber primär durch die Übernahme von Verantwortung. Der Verantwortungsträger signalisiert der Gemeinschaft mit der Übernahme einer verantwortlichen Position, dass er nicht nur für sich selbst und sein eigenes Handeln Verantwortung tragen kann, sondern dass seine Schultern stark genug sind, auch für andere und vielleicht ein gesamtes Spiel Verantwortung zu tragen. Er steht mit seiner Person für das tatsächliche Handeln in seinem Verantwortungsbereich ein. Wer nun meint, er könne das Handeln in seinem Verantwortungsbereich nicht ändern, weil das Geschäft so sei, der stellt sich die falsche Frage. Er muss sich die Frage stellen, ob er das Handeln, das scheinbar nicht zu ändern ist, dennoch verantworten kann. Diese Frage ist untrennbar mit der Position verbunden. Er trägt Verantwortung für das, was in seinem Bereich tatsächlich passiert.

Dafür wird er bezahlt. Wenn er nun meint, er habe keinen Einfluss auf seinen Verantwortungsbereich, dann hat er offensichtlich die Kontrolle verloren. Die Geschichte erzählt sich selbst, unkontrolliert, in all ihrer Perversität. Das wird in Zukunft nicht mehr reichen. Die Architekten des Spiels werden Strukturen schaffen müssen, dass unverantwortliche Spieler nicht in Verantwortungspositionen gelangen.

Es bedarf einer Verantwortungsethik!

Was könnte ein unverantwortliches Individuum tun? Die Optionen liegen auf dem Tisch: einsehen, dass die Verantwortung zu groß ist oder Verantwortung tragen und die Strukturen verändern, die nicht verantwortet werden können. Wenn der Profit nur unter diesen Bedingungen möglich ist, wird darauf verzichtet und nicht die Zukunft für heutigen Profit geopfert.

Wer das den Zuschauern sagt, der wird volle Stadien ernten.

Was bleibt sind Spielberichte. Geschichten von uns. Wofür steht wer als Individuum. Wofür steht welche Familie. Was macht die Freunde aus. Wofür steht der Verein, dem man angehört. Wofür steht das Unternehmen, für das man tätig ist. Keiner hat das Recht, den einzelnen Spieler in seiner Geschichte zu bewerten, doch das eigene Urteil kann sehr weh tun. Die Frage ist letztlich, was sich langfristig gut anfühlt. Emotionale Ästhetik. Irgendwann werden den Spielern die eigenen Geschichten wieder begegnen. Im Spiegel. Manche Spiele schauen sich kommende Generationen gerne an, bei anderen hören sie weg. Wichtiger als die Aufmerksamkeit anderer ist das eigene Bauchgefühl.

Die emotionale Ästhetik der individuellen Spielgeschichte.

Kollektives Sportfest

Angenommen das Leben in einer Gemeinschaft ist ein großes Sportfest. Überall finden ständig Spiele statt. Jede Begegnung ist ein Spiel. Es passiert einfach, geplant oder ungeplant. Wir spielen mit, bewusst oder unbewusst. Fließend wächst derjenige, der zu einer auf seine Bedürfnisse angepassten Art und Anzahl Spiele eingeladen wird, sich der Spiele bewusst ist, sie mit der Energie, die er einsetzen will, im Einklang zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein spielt. Im Unterbewusstsein gespeichert sind die Spielerfahrungen unserer Vorfahren. Tiefliegende Erkenntnisse, sehr abstrakt. Menschen variieren in der Fähigkeit zur Abstraktion. Sie variieren in der Fähigkeit, Abstraktes dann wiederum neu innovativ zu interpretieren. Es gehört zur Wahrheit, dass diese Fähigkeiten den Platz in den Autoritäts- und Kompetenzhierarchien der Gemeinschaft festlegen. Die Hierarchien bilden sich unverweigerlich.

Unser Unterbewusstsein sendet dem Bewusstsein ständig Signale. Der chemische Baukasten des Gehirns stößt Glücks- oder Stresshormone aus, die in uns positive Emotionen hervorrufen, wenn wir im Einklang mit Strukturen agieren, mit denen bereits unsere Vorfahren gute Erfahrungen machten. Wir alle kennen die Momente, die sich so gut angefühlt haben, dass man sie festhalten möchte. Manche möchten ihre Bewusstseinsebenen nicht erkunden. Jeder dreht letztlich seinen eigenen Film. Wer sind wir, das zu bewerten.

Wer aber mehr wissen will über sein Unterbewusstsein, der muss das unbekannte Terrain erschließen. Dort sind die abstrakten Schätze der Vorfahren begraben.

Der Prozess der Erschließung, Abstimmung und Vereinigung von Bewusstsein und Unterbewusstsein ist letztlich ein Prozess freiwilliger Identitätsbildung. Jeder Einzelne erzählt eine Geschichte von sich, ob er will oder nicht. Jeder Einzelne hat eine Identität, ob er will oder nicht, jede Familie hat eine, jede Gruppe, der man sich zugehörig fühlt. Die Frage ist, ob man sich seiner Identitäte(n) bewusst ist und vor allem der Möglichkeit, die Identitäten zu ändern, um in den Zustand eigener emotionaler Ästhetik zu gelangen. Der Prozess bewusster Identitätsbildung steht nun an. Wir müssen restaurieren, renovieren, kernsanieren.

Wofür stehen wir und wofür nicht? Wertvorstellungen bilden Identitäten. Ob bayrische, sächsische, mecklenburgische, niederrheinische Identität, ob deutsche Identität, ob europäische, asiatische, amerikanische, russische oder afrikanische, ob universelle Identität – sie müssen sich nicht widersprechen und gegenseitig ausschließen, sondern können sich wie eine Rose in jedem Einzelnen aufblättern und jeden Menschen zu seiner emotionalen Ästhetik führen. Gemeinsames Wachstum. Verständnis für Verschiedenheit. Das ist die anstehende Aufgabe und sie darf nicht Jahrhunderte dauern.

Unser kollektives Haus und die Felder, auf denen wir alle zusammen säen und ernten, erscheinen äußerlich in künstlerischem Glanz und voll produktiver Schlagkraft. Doch tief im Inneren fehlt etwas. Etwas Vereinendes. Die tiefen Bewusstseinsebenen wurden lange vernachlässigt. Dort ist eine Form der Intelligenz beheimatet, die den chemischen Baukasten des Körpers steuert. Die Menschen abgrenzt von Maschinen. Sie wird abgetan als intuitive Träumerei. Die allermeisten Spieler wollen ihr Leben im Vertrauen auf ihre Mitspieler intuitiv erträumen.

Jemand sollte aufmerksam sein, zuhören, die Botschaft der Leuchtraketen entschlüsseln und eine Vision entwickeln, die einen lebendigen Austausch zwischen alt und jung, der Weisheit der Erfahrung und der jugendlich-revolutionären Kraft vorsieht. Dafür benötigt jeder Einzelne Freiraum. Er muss seinen Vortrag, unterentwickelt wie alle sind, in freier Ausdruckform ehrlich halten dürfen. Das Verständnis für diesen Freiraum ist weiterhin unterentwickelt. Es ist nicht verankert im kollektiven Bewusstsein.

Viele Spieler wollen nichts mehr als fließend generationenübergreifend verantwortungsvoll zu wachsen. Sie fordern die Verantwortungsträger auf, eine alle Spieler vereinende, klar artikulierte Vision von erträumten Orten zu entwickeln, an denen alle in einer Weise gemeinsam leben können, die keinen Spieler im Gedanken an seine Urenkel mit schlechtem Gewissen zurücklässt. Diese Vision ist das Fundament, auf dem alle Spieler und die Verantwortungsträger ihr individuelles und das gemeinsame kollektive Haus bauen. Get the basics right.

Erwachen aus verantwortungsloser Träumerei.

Warum steht der Prozess jetzt an? Weil da draußen ein heftiger Sturm tobt. Kampf der Kulturnarrative. Verschmelzung der Identitäten. Das bietet Chancen und Risiken. Es ist an der Zeit das Fundament zu festigen.

Der Croupier ist kurz davor sein Tribut für die verantwortungslose Träumerei einzufordern und hat die Kugel schon in der Hand. In der Dystopie öffnet er gerade seinen Mund und seinen Lippen entweichen folgende Laute: rien ne va plus. Die Utopie aber, die werden wir jetzt live schreiben. Auf gehts!