Offenes Tagebuch

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Otto Ohnmacht: Der schweigende Echte aus dem Nord-Osten

 

I.

Otto wird nächstes Jahr vierzig Jahre alt. Zur Wendezeit war er zehn. Die Wende. Fast dreißig Jahre ist sie jetzt her. Sie hat viel verändert. Sehr viel. Otto sagt, nicht alles zum Guten. Er ist hiergeblieben, hat nicht rüber gemacht. Und auch wenn nicht alles so läuft, wie er es sich vorstellt, er wird bleiben. Der Nord-Osten ist seine Heimat. Heimat? Das darf man heute ja kaum noch sagen. Otto verbindet mit Heimat Sinneseindrücke, vielleicht einen Gefühlszustand, ein Lebensgefühl, aber auf keinen Fall ein ausgrenzendes „du gehörst hier nicht her“, wie es ihm manchmal angedichtet wird. Ihm ist es aus tiefstem Herzen egal, wer neben ihm am Tresen sitzt und Bierchen trinkt. Hauptsache er hält die Klappe. Wer sich im Nord-Osten an einen Tresen setzt, der sollte schweigen können. Hier schweigt man. Man schweigt, schweigt, schweigt und dann schweigt man. Man schweigt im Sommer und schweigt im Winter. Man schweigt beim Pilze sammeln, man schweigt beim Angeln. Irgendwann nach langem Schweigen, wenn man gezeigt hat, dass man für sich schweigen kann, irgendwann, wenn man Glück hat, nickt einer mit dem Kopf, irgendwann, wenn man Glück hat, sagt einer „Moin“. Wenn im Nord-Osten einer in die Kneipe kommt und „Moin Moin“ sagt, dann gehören alle in der Kneipe dazu. Gehört einer in der Kneipe nicht dazu, wird nicht „Moin Moin“ gesagt, höchstens „Moin“, in der Regel aber nur mit dem Kopf genickt oder geschwiegen. Dann beginnt das gemeinsame Schweigen von vorne. Bis der, der nicht dazu gehört, irgendwann dazu gehört. Dann sagen alle wieder „Moin Moin“.

So integrieren wir seit Jahrhunderten, sagt Otto. Es klappt. Jedenfalls besser als dort, wo alle laut durcheinander brüllen. Wir konzentrieren uns auf das Wesentliche, schauen auf das Verbindende. Alles andere ist unwesentlich. Das haben wir an der Küste früh verstanden. Hier wird ständig irgendwer oder irgendwas angespült, der oder das am Anfang nicht dazugehört. Manchmal ist es ein Goldstück, manchmal ist es Holz und manchmal ist es Plastik. Insgesamt haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Deswegen sind wir offen, aber nicht naiv. Wir schauen lange hin wie ein Adler und schweigen. Wenn es ein Goldstück ist, zeigt sich das recht schnell. Gold ist rein und verschönert alles, was sich mit ihm verbindet von Innen. Es ist selten und ein Glücksfall. Plastik verbindet sich nicht so einfach. So ist es eben. Die Alten, die schon viel gesehen haben, erzählen Geschichten darüber, dass sich manchmal im Inneren des Plastiks Gold findet. Manchmal. Die Menschen seien Fischer, die Sinne ihre Netze. Wichtig sei, was drin ist, nicht was gerade IN ist. Insofern sind Küstenkinder immer auch Schatzsucher, denn hier wird ständig Neues angespült und am Anfang weiß keiner, ob es Gold oder Plastik ist. Es geht um den Prozess des Suchens und Verbindens. Wenn mal wieder ein heftiger Sturm die Küste von Graal-Müritz heimsucht, kommt Otto, sobald die Luft rein ist, raus aus seinem Versteck, geht vorne an die Seebrücke und donnert dem sich zurückziehenden Sturm entgegen: „nimm, was dir gehört, gib frei, was zu uns gehört.“ 

Dann geht er zurück zur Uferpromenade, setzt sich auf die von der salzigen Seeluft verwitterte alte Holzbank, die, anders als die ihren Standort ständig wechselnde bunte Werbetafel aus Plastik, mal links, mal rechts, seit Ewigkeiten Schatzsuchern wie Otto verlässlich Halt bietet. Er steigt aus den Wanderschuhen, zieht sich die noch aus den Beständen seines Vaters stammenden warmen Wollsocken mit geübtem Griff von seinen Füßen, steckt sie in die Wanderschuhe und schlägt die Hosenbeine zweimal um. Seine Füße spüren Kälte. Sie wissen, dass es nun an der Zeit ist, Spuren zu hinterlassen. Otto verbindet die Schnürsenkel seiner Wanderschuhe mit festem Knoten und hängt sie sich um den Hals. Dann zieht er los, barfuß am Strand, Richtung Ahrenshoop. Komme, was kommen mag. Mit den Füßen halb im Wasser und halb im treibenden Sand geht Otto auf die Suche. Wonach? Das weiß er nicht. Er weiß ja nicht, was die stürmische See angespült hat. Aber auch wenn sie dieses Mal nichts angespült hat, was Otto finden könnte, würde Otto fündig, sein Schatz ist der Strandspaziergang nach heftigen Stürmen auf dem er auch, aber nicht wirklich hauptsächlich, nach dem sucht, was die Ostsee angespült hat. 

Mal richtet er seinen Blick auf den Horizont und entdeckt in den Wolkenkonstellationen Konturen von Figuren, die, angestrahlt von der aufgehenden Sonne, so lebendig erscheinen, als wären sie realer als er selbst und als würden sie sich miteinander über ihn, Otto, unterhalten. Surreal. Ein anders Mal senkt er den Blick auf den schmalen, von den Ausläufern der letzten Welle noch leicht durchwässerten Bereich rechts neben seinen Füßen. Wer in Ruhe Bernstein sucht, kann hier seinen Platz finden. Mit den Wellen wird der Ostseegrund in diesen Bereich getragen, um dann von ihnen wieder zurückgetragen zu werden. Die See als Sisyphos, die Wellen als tragende Arme. Ist sie glücklich? Sie weiß es nicht. Otto ist gerne in ihrer Nähe, das reicht. Ihr und ihm. Beim Zurücktragen bleibt so mancher Stein vom Ostseegrund in diesem Bereich liegen. Er wagt sich zu weit vor, wird ihr damit zu schwer. Er wird für sie untragbar. Warum? Hat sie ihn doch hierher getragen. 

Es fehlt ihr Unterstützung. Sie kämpft um ihn und scheitert doch, zieht ihm seinen sandigen Boden gnadenlos unter den unsichtbaren Füßen weg, so dass er, von wenigen Sandkörnern gestützt, vorerst zur Ruhe kommt. Auf diesen Sandkörnern lastete zu viel Gewicht, sonst wäre es ihr leicht gefallen, neben all den kleinen glattgespülten Steinchen auch ihn, den kantigen Stein, zurück zur Mutterbrust zu tragen. Im Anspülen wurde sie noch unterstützt, die ganze Kraft der Ostsee stärkte ihren Rücken, aber vorne, ganz vorne, an dem Punkt, als ihre vorderen Tropfen durch tiefes Einsickern signalisierten, dass die Kraft sie jetzt verlässt und ihr Eroberungszug hier ein scheinbar jähes Ende finden wird, genau an diesem Punkt, genau in diesem Moment weist die Welle dem Stein den Weg, zieht sich zurück, ohne ihn, und fließt hinab in den schützenden Mund der kraftgebenden Muttern Ostsee, wird neu bestückt und wieder ausgesendet. Die Wellen heutzutage. Unmöglich. Seine Stunde hat geschlagen. Jede Welle ist einzigartig, bleibt dennoch eine unter vielen am Ostseestrand in Graal-Müritz. Der Stein aber, er, liegt nackt am Strand. Im kalten Wind. Verlassen von der wärmenden Welle, verlassen von Muttern Ostsee. Er friert, schämt sich seiner Nackheit. Ausgestoßener. Will zurück, will die nächste Welle nehmen. Doch keine nimmt ihn wirklich mit. Er scheitert mit seinem Rückkehr-Wunsch. Dann merkt er, dass er ein Stein ist, ein Stein am Ostseestrand von Graal-Müritz. 

Er beginnt sich wohl damit zu fühlen und wartet auf Sonne, er will nun den Wellen entkommen und Stein sein. Während er sich mit seiner Scham beschäftigt, schreitet, wie aus heiterem Himmel, der barfüßige Otto heran. Der Stein spürt durch kräftige Fersentritte ausgelöste Vibrationen, weiß jedoch nicht, dass es Otto ist. Otto hingegen weiß noch nicht einmal, dass er sich gleich bücken und den Stein aufheben wird.  Bereits während sich seine Aufmerksamkeit fließend neu ausrichtet, von den Himmelsfiguren zu dem Bereich, in dem das Schwemmmaterial liegt, greifen seine Finger intuitiv nach dem Stein. Er nimmt ihn auf und wirft ihn flach über die Ostsee. Der Stein titscht dreimal auf, bevor er mit einem lauten Glucksen erneut in ihr versinkt und nun, als auf dem Ostseegrund lebender Stein, den Ostseestrand in Graal-Müritz aus eigener Erfahrung kennt. Diese Kenntnis teilt er mit Otto, der den Stein wärmend in seiner Hand gehalten hat wie ein Vater, sich aber fünf Minuten später nicht mehr daran erinnern kann. Der Stein wird Otto nie vergessen. Otto aber bleibt auf der Suche. 

Einhundert Schritte weiter, Ottos Füße sind inzwischen so kalt, dass seine Wadenmuskeln ihn mit einem zuckenden Zwicken daran erinnern, den Strandaufenthalt zeitnah zu beenden, da sieht Otto unter grünem Seetang etwas schimmern und greift zielstrebig nach einem schimmernden Stein. Könnte ein Bernstein sein, denkt er sich leise und entfernt die Sandkörner. Lieber mal drauf beißen. Nein, es ist mal wieder keiner. Während dieser Gedanke Ottos Lunge den Auftrag gibt, den Stein mit einem festen Luftzug auszuspucken, haben sich seine Augen verselbständigt und einen anderen Stein unter einem noch größeren Haufen Seetang entdeckt. Er schimmert nicht stark, aber Otto, der ständig Suchende, wendet den Zahntest auch hier an. Und siehe da, es ist ein Bernstein. Ein Gedanke gibt Ottos Händen den Auftrag, den seltenen Bernstein aus seinem Mund in seine Jackentasche zu geleiten. Gesucht und gefunden. Nun ist es an der Zeit, auf das Zwicken der Waden zu hören. Otto nimmt den nahen Strandaufgang, wäscht seine Füße am Toilettenhäuschen Müritz-Ost, zieht sich die warmen Wollsocken über die nassen, abgesandeten Füße, krempelt die Hosenbeine herunter, entknotet die Schnürsenkel, steigt in die Wanderschuhe und macht sich als Suchender, der heute gefunden hat, auf den Weg nach Hause. 

Wer mit den Menschen aus dem Nord-Osten geschwiegen hat, der darf sein, wie er ist. Komisch sind wir Küstenkinder doch alle irgendwie, Komischsein ist nichts Besonderes. Wenn du dann aber, auch irgendwann später, meinst, etwas zu sein, was du nicht bist, dann kommst du in die Kneipe und alle schweigen wieder. Dann wird wieder gemeinsam geschwiegen, bis du wieder das bist, was du bist, nicht mehr sein willst, was du nicht bist. Integration durch ehrliches Schweigen. Die Mönche haben es sich bei uns abgeguckt, die gottverdammten Fettsäcke, sagt Otto lachend. Er mag derbe Witze, meint sie aber nicht böse. Harte Schale, weicher Kern. Lieber den Mund am trockenen, zu derben Witz verbrannt, als sich den Mund verbieten zu lassen. Das macht Otto zum schweigenden Echten aus dem Nord-Osten. Vielleicht kann uns die Ostsee helfen, wie man all die Verschiedenheit, die herrscht, miteinander vereint und abgrenzt. 

II.

Ottos Schweigen hat immer geholfen, auch vor der Wende. Wer vor der Wende nicht schweigen konnte, der wurde zum Schweigen gebracht. Aber nicht am Tresen, sagt Otto. Man konnte sich aussuchen, ob man am Tresen mit den anderen schwieg oder woanders zum Schweigen gebracht wurde. Damals sagte man seltener „Moin Moin“ als heute, insofern läuft es derzeit jedenfalls besser als damals. Vor der Wende sagten die Genossen, dass alle gleich seien, nur die Genossen meinten, sie wären gleicher. Also haben meine Eltern geschwiegen, sagt Otto. Weil die Genossen meinten, etwas zu sein, was sie nicht waren. Das Schweigen aber wurde nicht wahrgenommen. Die Genossen leugneten und brabbelten unnützes Zeug laut durcheinander. Irgendwann wurden sie zum Schweigen gebracht. So ist das immer, wer nicht schweigen kann, wenn er zu schweigen hat, wird zum Schweigen gebracht. Wer etwas sagt, wenn wir schweigen, muss sich sicher sein, was er da sagt. Es muss etwas sein, das alle miteinander vereint. Denn dann gehören alle dazu und alle können wieder öfter „Moin Moin“ sagen. Je öfter wir „Moin Moin“ sagen, desto besser geht es uns, sagt Otto. Aber es reicht nicht, wenn das Gesagte alle miteinander vereint, sondern es muss uns untereinander auch hinreichend abgrenzen. Damit jeder Platz hat zu wachsen. Erst dann ist das Sprechen als Nichtschweigen gerechtfertigt. 

Deswegen schweigen die meisten, es ist schwierig, das Schweigen gerechtfertigt zu brechen. Dafür muss man das Herz auf der Zunge tragen. Doch auch das alleine reicht nicht aus. Es muss genug Zeit vergangen sein, so dass sich die Schweigenden aus sich, unter der Oberfläche, erst vereint und dann hinreichend abgegrenzt haben. Erst dann kann jemand kommen, um das Vereinende und das Abgrenzende zu benennen. Viele haben versucht, das Pferd von hinten aufzuzäumen, sie haben erst das Schweigen ausgelöst, dann gebrochen und wollten dann, dass wir „Moin Moin Moin“ sagen. Doch „Moin Moin Moin“ sagt hier keiner. Es hört sich auch scheiße an, sagt Otto. 

Heute brabbeln wieder einige, sie brabbeln wild durcheinander, wie aufgescheuchte Hühner. Also schweige ich, wie meine Eltern vor mir, wie meine Großeltern vor meinen Eltern. Es ist schwierig, das Schweigen gerechtfertigt zu brechen. Wir wollen ehrlich vereint und untereinander hinreichend abgrenzt werden. Deswegen schweigen wir. Hört endlich auf zu brabbeln, ihr Waschlappen, und schafft einen Ruheraum, in dem wir uns ehrlich vereinen und hinreichend abgrenzen können. Bis dahin schweigen wir, egal, wer von euch brabbelt. Damit der, der heute nicht dazu gehört, irgendwann dazu gehört.

III.

Otto ist hier im Nord-Osten aufgewachsen, in Graal-Müritz, in der Strandstraße. Hier dreht sich die Welt ein wenig langsamer. Der Küstenwald ist hier der Schönste. Ende September, wenn die Sonne noch kräftig durch die Bäume blinzelt, erstrahlt mit Niederschlag vollgesogenes Moos saftig grün und vereint sich mit abgestorbenen, vermodernden Baumstämmen, die Baustoffe für das Wachstum tausender kleiner emsig arbeitender Lebewesen bereitstellen, unter kreuz und quer wachsenden Gräsern zu einem fruchtbaren Nährboden für das dicht unter der Waldbodenschicht verlaufende, nahezu unsichtbare, aber umtriebige, alles zusammenhaltende Pilzwurzelwerk, das die Bäume für ihre Kommunikation und den Nährstoffaustausch mitnutzen dürfen. Natürlich erhebt das Netzwerk eine Nährstoff-Nutzungsgebühr. In der Natur schon lange existierende, zu beobachtende Symbiosen lassen meist Win²-Win²-Win²-Win²-Win²-Win²-Situationen erkennen, sonst hätten sie nicht überlebt, sondern wären zum Schweigen gebracht worden. 

Jener Wegzoll ist es, der an einigen Stellen des Netzwerkes für einen solchen Nährstoffüberschuss sorgt, dass wunderbar eigenartige Gewächse gen Himmel sprießen. Pilze. Von Pfifferlingen über Steinpilze bis hin zu richtig fetten Hennen. In Graal-Müritz wachsen die leckersten Pilze. Und sie wecken Begehrlichkeiten. Die Menschen suchen sie mit den Augen, kommen nach Sonnenaufgang, wenn die Frühaufsteher, die Wildschweine, Rehe und Eichhörnchen, ihre Beute längst erschnüffelt haben, sich mal wieder zu viel davon genehmigten und sich dann, wenn die ersten menschlichen Schatzsucher eintreffen, zu einem gepflegten Nickerchen zurückziehen, um sich die letzten kräftigen Sonnenstrahlen vor dem Winter auf den Bauch scheinen zu lassen. 

Vielleicht kann der Küstenwald lehren, wie man all die Verschiedenheit, die herrscht, miteinander vereint und abgrenzt. Wer einen Korb selbst gesammelter Pilze aus dem Küstenwald in Graal-Müritz mit Zwiebeln in Butter angebraten und zu einer wunderbaren Rahmsoße verarbeitet hat, um diese Soße über selbstgemachte Nudeln zu verteilen und ein wenig kleingehackte Petersilie darüber zu streuen, der kann schmecken, was für Otto Heimat ist. 

IV.

Ottos Küstenwald hält noch mehr Schätze bereit. Wer durch die hohen Farne läuft, in denen sich Zecken zusammenrotten und blutrünstig auf Opfer lauern, wer durch die dicht stehenden Nadel- und Laubhölzer dem Rauschen entgegen läuft, der wird sie riechen, Ottos Heimat. Wer dann weiter läuft, bis zur letzten Grenze, der wird ganz sonderbare Wesen neben sich entdecken, die steinalt und hoch gewachsen sind, die gerade nicht vor dem Wind flüchten, sondern ehrlich kämpfend den anderen Bäumen Windschatten geben. Sie stehen stramm, darbend, auf alles bis auf ihre Krone verzichtend, in der ersten Reihe und schauen Tag für Tag weitblickend aufs Meer. Im Sommer ist es hier heiß und trocken, im Winter kalt und nass. Sie bleiben stehen, trotzen Wind und Regen, Licht und Dunkelheit, Dürre und Kälte. Sie verzichten auf die wohligen Wachstumsbedingungen, die in der geschützten Mitte des Küstenwaldes herrschen. Aus Trotz erwächst Erhabenheit. Sie sind die Leuchttürme der Erhabenheit des Küstenwaldes. Oft wird versucht, die Erhabenheit einzufangen, doch für den Trotz interessiert sich kaum einer.  

V.

Otto sieht nicht nur blühende Landschaften im Osten, aber er sieht welche. Die Küstenstreifen an der Ostsee zum Beispiel, die blühen oder auch so manches Regionalzentrum. Aber manche Flecken, davor kann keiner die Augen verschließen, die blühen nicht. Sie blühen kein bisschen. Es zerreißt Otto das Herz. Sie haben keinen Auftrag. Sie hatten einen, vor der Wende. Doch der war nicht nachhaltig. Auch der Auftrag davor war nicht nachhaltig. Sie darben ohne Erhabenheit. Es wird Zeit brauchen, bis ein neuer kommt. Schweigende Vereinigung. Im Nord-Osten hat man das verstanden, hier wird geschwiegen. Es wird geschwiegen, bis jeder und alles, was heute nicht dazugehört, irgendwann dazu gehört.